Mein Dienstag

Geschlossene Gesellschaft

Whatever Works
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Schon beachtlich, welche Widersprüche und Ungerechtigkeiten anstandslos geduldet werden.

Es gibt da diese Szene in Woody Allens „Whatever Works“. „Als schwarzer Mann in Amerika kannst du Präsident werden, bekommst aber kein Taxi in New York“, sagt Hauptfigur Boris, gespielt von Larry David. Eine für Allen typische Feststellung – funktioniert sie doch nicht nur auf einer oberflächlichen humorvollen Ebene, sondern – und das ist ihr eigentlicher Zweck – regt als subtile Gesellschafskritik auch zum Nachdenken an.

Diesmal ist der Kunstgriff besonders gut geglückt, weil er die Widersprüchlichkeit und Absurdität von Diskriminierung im Allgemeinen und Rassismus im Speziellen verdeutlicht. Denn sehr wahrscheinlich hat so mancher Taxifahrer, der für einen schwarzen Mann nicht stehenbleibt, Obama gewählt. Wieso? Tja, wenn das nur jemand wüsste. Dann könnten viele andere Fragen auch beantwortet werden.

Etwa jene, warum junge Frauen immer ein Taxi bekommen, an einer Bar nie lange warten müssen, um bedient zu werden, und sofort jemand da ist, der ihnen hilft, wenn sie in einer fremden Stadt verloren auf eine Karte schauen, ihnen aber allzu oft ein männlicher Kollege vorgezogen wird, wenn es darum geht, eine neue Stelle mit mehr Verantwortung und Geld zu besetzen. Oder warum ein junger Syrer, Ägypter, Bosnier oder Türke jede Disco durch den VIP-Eingang betreten könnte, weil er, sagen wir, bei einem renommierten Medium arbeitet, aber am Haupteingang fürchten muss, abgewiesen zu werden, weil an diesem Abend eine „geschlossene Gesellschaft“ feiert?

Jetzt werden viele widersprechen und sagen, dass diese Phänomene psychologisch und soziologisch sehr wohl zu erklären sind. Und dabei Motive eine Rolle spielen wie etwa Vorurteile, Ängste, Unwissenheit, Nutznießung, Machtspiele, Homophilie und Geltungsbedürfnis. Natürlich sind sie zu erklären und intellektuell zu verstehen. Das ist ein Mord aus Mordlust auch. Aber die eigentliche, implizite Frage lautet ja, warum sie gesellschaftlich akzeptiert sind und sogar beinahe zur Norm wurden. Denn das ist ein Mord aus Mordlust nicht.

Eine übertriebene, einseitige Darstellung? Schon möglich. Betrachten Sie es als Hommage an Woody Allen.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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