Austrian Health Forum

Wie Apps auf Rezept gelingen können

Großes Interesse gab es für den Workshop, in dem Vorteile, Bewertung und Finanzierung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA) diskutiert wurden.
Großes Interesse gab es für den Workshop, in dem Vorteile, Bewertung und Finanzierung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA) diskutiert wurden.(c) Klaus Ranger
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DIGAs. Neue zertifizierte Health-Apps kommen immer häufiger bei verschiedenen chronischen Erkran­kungen (Diabetes, Depression, Demenz) therapiebegleitend, aber auch in der Prävention zur Anwendung.

Digitale Gesundheitsanwendungen – kurz „DIGAs“ genannt – sind Gesundheits-Apps, die bei der (Früh-)erkennung und der Therapie unterschiedlicher Krankheitsbilder zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu Lifestyle-Apps, mit denen wir unsere Schritte oder Kalorien aufzeichnen können, sind DIGAs europaweit zertifizierte und zugelassene Medizinprodukte, die direkte oder indirekte evidenzbasierte Diagnose bzw. Behandlungsmaßnahmen bieten.

DIGAs werden bei verschiedenen chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Demenz, Depression oder Multipler Sklerose therapiebegleitend, aber auch in der Prävention, etwa bei psychischen oder neurologischen Erkrankungen, immer häufiger verwendet. Ihre Zahl steigt laufend und damit ergeben sich auch in Österreich offene Fragen: Welche Angebote sind vertrauenswürdig? Wie finden DIGAs den Weg zu den Patient:innen und unter welchen Bedingungen sollen sie erstattet werden? Wie kann die Integration von digitalen Lösungen in die österreichischen Versorgungsstrukturen gefördert werden?
Im Vorfeld des diesjährigen Austrian Health Forums wurden in vier Beteiligungsworkshops Optionen zur Öffnung des österreichischen Gesundheitssystems und die praktische Anwendung und Verschreibung von DIGAs entwickelt. Dabei wurden drei zentrale Themen zur weiteren Diskussion identifiziert: die Einführung eines Vertrauenssiegels, die Rahmenbedingungen zur Erstattung und der Aufbau eines kooperativen Prozesses zwischen Herstellern von Gesundheits-Apps und dem Gesundheitssystem. Begleitet von Moderatorin Elisabeth Klager, Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient Safety, wurde mit den Teilnehmer:innen in Schladming diskutiert und hinterfragt, wie diese Schritte nun in Österreich auf den Weg gebracht werden können.

Best Practices in Europe

In Deutschland, Frankreich und Belgien sind DIGAs bereits auf Rezept verfügbar und können von den Kostenträgern erstattet werden. Kai U. Heitmann, Geschäftsführer bei HL7 Deutschland, hat als Experte des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit zusammen mit seinen Kolleg:innen den Prozess des DIGA Fast Tracks und der „App auf Rezept“ aus ärztlicher, juristischer und technischer Sicht begleitet und berichtete über die Erfahrungen der letzten Jahre aus Deutschland: DIGAs sollen in erster Linie den Patient:innen nützen, es soll aber auch darauf geachtet werden, dass Daten, die während der Nutzung generiert werden, auch für Versorgung und Forschung genutzt werden können und zugänglich sind. Heitmann verweist dabei auf die Bedeutung der Interoperabilität: die Fähigkeit einer DIGA, mit anderen Systemen Daten auszutauschen, sie zu verstehen und wiederzuverwenden, um die Versorgungsqualität von Patient:innen zu optimieren.

Neue Rahmenbedingungen

In Österreich sind „Apps auf Rezept“ und ihre Erstattung noch nicht geregelt. Wie dieser Prozess zur Bewertung digitaler Gesundheitsanwendungen künftig aussehen könnte, wurde von der Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH untersucht und vorgestellt: Am Beginn steht die Identifikation des Verfahrens – ist es ein Erstattungsverfahren für eine bereits CE-gekennzeichnete und als Medizinprodukt registrierte DIGA oder ist es ein Entwicklungsverfahren in Kooperation mit der Erstattungsbehörde? In einem nachgelagerten Filterungsprozess wird der Zweck der DIGA untersucht: Wird die App zum Management chronischer Krankheiten oder als Präventions-Tool eingesetzt? Weiters sollen technische, regulatorische und Evidenzanforderungen überprüft werden, um eine HTA-Evaluation der DIGA zu ermöglichen. Am Ende steht die Entscheidung über die Erstattung der App. Wie der Prozess zur Erstattung künftig genau gestaltet wird, ist derzeit noch offen; im Plenum war man sich allerdings einig, dass dieser nicht zu kompliziert gestaltet, eher einfach und dynamisch gehalten werden solle, um allen Herstellern von DIGAs – vom Start-up über Klein- und Mittel-Unternehmen bis hin zu internationalen Konzernen – dieselben Chancen auf Einreichung ihrer Anwendungen und Apps zu ermöglichen.

Zur Integration der DIGAs braucht es u. a. die Einführung eines Vertrauenssiegels, Rahmenbedingungen zur Erstattung sowie die Möglichkeit eines kooperativen Prozesses zwischen DIGAs-Herstellern und dem Gesundheitssystem.
Zur Integration der DIGAs braucht es u. a. die Einführung eines Vertrauenssiegels, Rahmenbedingungen zur Erstattung sowie die Möglichkeit eines kooperativen Prozesses zwischen DIGAs-Herstellern und dem Gesundheitssystem.(c) Klaus Ranger

Einheitliche Rahmenbedingungen für den Marktzugang und die Finanzierung von DIGAs stehen auch für die Interessenvertretung der Medizinproduktebranche an erster Stelle, da DIGAs einem anderen Entwicklungsprozess unterliegen als etwa Arzneimittel, wie Christine Stadler-Häbich, Leiterin der AUSTROMED-Arbeitsgruppe Digitalisierung, ausführte. Darüber hinaus können DIGAs in der Prävention, Früherkennung oder als Primärtherapie wie begleitend zu medikamentösen oder anderen Therapien zur besseren Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung beitragen. Ein Vertrauenssiegel, zusätzlich zur CE-Kennzeichnung, würde den Wert dieser Anwendungen für Ärzt:innen und Patient:innen sowie für das Gesundheitssystem weiter heben.

Einheitliche Voraussetzungen

„Ein Vertrauenssiegel ist ein guter erster Schritt in die richtige Richtung, damit Gesundheits-Apps auch akzeptiert werden“, ist Thomas Hartmann von der ÖGK überzeugt. Fehlt die Akzeptanz seitens der Patient:innen aber auch Ärzt:innen, würden digitale Anwendungen auch nicht genützt werden. „Deshalb ist es wichtig, den Prozess zur Gestaltung der Rahmenbedingungen in Bezug auf Verschreibung und Erstattung von DIGAs gemeinsam zu gestalten“, führt Hartmann weiter aus, wie dies bereits vor dem Austrian Health Forum in mehreren Workshops begonnen hat. Aus Sicht der Österreichischen Gesundheitskasse müssen einerseits die technischen und Prozessaspekte transparent gemacht werden, andererseits aber auch die Hersteller von Health-Apps über die Anforderungen für eine Erstattung Klarheit haben. Darüber hinaus benötigt es eine Plattform zum Austausch.

Eine Möglichkeit dafür könnte ELGA schaffen. Als generische Plattform für DIGAs – auch im Sinne der Interoperabilität – zur Sicherung sensibler medizinischer Daten, Authentifizierung und Zugriffssteuerung auf solider Basis rechtlicher Grundlagen sowie als Basis für technische Standards „kann sie die Infrastruktur schaffen, damit DIGAs zugänglich und nutzbar gemacht werden können“, erläutert Günter Rauchegger, Geschäftsführer der ELGA GmbH. Dazu müssten DIGAs über dieselben technischen Standards verfügen, auf denen ELGA aufbaut, führt Rauchegger weiter aus, um in puncto Sicherheit, Datenschutz und Stabilität, aber auch für Forschungszwecke mit aggregierten und anonymisierten Daten, konform zu sein.

Vertrauenssiegel als Ergänzung

In Kleingruppen wurden die Ansätze weiter reflektiert: Die Teilnehmer:innen waren sich einig, dass die Einführung eines Vertrauenssiegels für DIGAs, zusätzlich zur CE-Kennzeichnung, eine wertvolle Ergänzung darstellt, damit Patient:innen und Ärzt:innen sicher sein können, über ein geprüftes und sicheres Produkt zur Therapiebegleitung oder Prävention zu verfügen. Bei der Erstattung von DIGAs sollte allerdings unterschieden werden, ob es sich um bereits bestehende Apps oder gemeinsam mit der Sozialversicherung entwickelte Apps handelt; die Rahmenbedingungen dazu müssen im nächsten Schritt klar und eindeutig definiert werden. Die Verschreibung dürfe nicht zu komplex und der Zugang zu Informationen über DIGAs müsse niederschwellig für alle möglich sein. Darüber hinaus wäre auch zu definieren, ob generierte Daten für weitere Forschungszwecke in anonymisierter Form genutzt werden. Mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) wurde hierfür bereits eine Basis geschaffen.

Digitale Gesundheitsanwendung werden zukünftig eine immer größere Rolle in der Therapie chronischer Erkrankungen und der Prävention spielen. Vortragende und Teilnehmende des Austrian Health Forums waren sich einig, dass DIGAs als zugelassene Medizinprodukte ein großes Potenzial aufweisen, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu optimieren und weiterzuentwickeln, hinsichtlich Diagnostik, Effizienz, Vorbeugung und Begleitung von Therapien. Jetzt braucht es auch in Österreich ein gemeinsames Engagement, damit die Gesundheits-App auf Rezept möglich wird. Hierfür wurden beim diesjährigen Austrian Health Forum die Weichen gestellt – am Austrian Health Forum 2023 wird es hoffentlich schon die ersten Fortschritte geben.

www.roche.at

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