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Konjunktur

Das Zögern der EZB erzeugt einen Teufelskreis

Die Geldpolitik der EZB bringt Oberbank-Vorstand Franz Gasselsberger auf die Palme, er fordert ein Anheben der Leitzinsen.
Die Geldpolitik der EZB bringt Oberbank-Vorstand Franz Gasselsberger auf die Palme, er fordert ein Anheben der Leitzinsen. (c) Peter Rigaud
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Konjunktur. Franz Gasselsberger, Vorstand der Oberbank AG, hadert mit der Entscheidungsschwäche der EZB-Verantwortlichen und drängt darauf, endlich zum Zinshebel zu greifen.

Anfang des Jahres zeigte sich Oberbank-Vorstand Franz Gasselsberger noch sehr optimistisch in seinem Wirtschaftsausblick für das Jahr 2022. Dieser Optimismus ist angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in der Ukraine deutlich abgeflaut. „Wir befinden uns momentan in einem hochbrisanten Spannungsfeld mit extrem hohen Inflationsraten und gestiegenen Kapitalmarktszinsen auf der einen Seite und dem Krieg in der Ukraine auf der anderen Seite, das eine Wirtschaftsabschwächung bedingt. Heute lässt sich noch nicht abschätzen, ob wir ,nur‘ eine Stagflation oder eine Rezession erleben“, sagt der Bankmanager. „Momentan zeigt sich das noch nicht in den Zahlen der Oberbank, aber die Plandaten, die wir von unseren Kunden im laufenden Jahr erhalten, deuten bereits eine gewisse Abschwächung an.“ Noch hofft Gasselsberger auf eine sanfte Landung der Konjunktur, möchte sich aber nicht als Prophet üben.

Aber auch ohne prophetische Fähigkeiten lässt sich sagen, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu wünschen übrig lässt. „In den angelsächsischen Ländern wird eine ganz klare, konsequente Geldpolitik betrieben, die auf Zinserhöhung ausgerichtet ist. Großbritannien und die USA bekämpfen damit die Inflation.“ Auch in Europa verfolgen einige Länder außerhalb der Eurozone diese Form der Geldpolitik. In Tschechien und Ungarn liegen die Leitzinsen bei fünf und sechs Prozent. „Das Ziel ist ganz klar: Mit der Erhöhung der Leitzinsen versucht man die Nachfrage einzudämmen und erhofft sich, dadurch auch die Lieferkette wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“

Zaghaft, zögerlich, schwammig – das sind die Begriffe, die der erfahrene Banker für das Agieren der EZB in den Mund nehmen muss. „Die EZB hat die Konjunktur und die hoch verschuldeten EU-Staaten, die Kaufkraft und Preisstabilität im Auge. Sie ist hin- und hergerissen und genau diese zögerliche Haltung führt zu einem immer schwächeren Euro.“ Mit dem schwachen Euro befeuere man geradezu die Inflation. „Das ist der Teufelskreis, in dem wir uns momentan befinden.“ Die Entscheidungsschwäche der EZB-Verantwortlichen kann der Oberbank-Chef überhaupt nicht nachvollziehen. „Bei Inflationsraten von über sieben Prozent muss zum Zinshebel gegriffen werden. Rauf mit den Leitzinsen.“ Man merkt Gasselsberger die Emotionalität bei diesem Thema an. Nicht nur das Zögern der EZB ärgert ihn, sondern auch die Gleichgültigkeit der Bürger. „Die Menschen gehen auf die Straße wegen einer Impfpflicht, aber die Zinspolitik der EZB, die obendrein einen enormen Realwertverlust mit sich bringt, ist ihnen völlig egal.“

Zur Person

Franz Gasselsberger, geboren 1959, studierte Rechtswissenschaften an der Paris Lodron Universität Salzburg und absolvierte die internationale Managementakademie LIMAK. Seit 2005 ist er Generaldirektor und Vorsitzender des Vorstandes der Oberbank AG.

Warum nimmt das Volk diese Geldpolitik in Kauf? Verteidigend könnte man behaupten, das hänge mit dem Vertrauen der Europäer in die EZB zusammen, aber dieses Argument macht Gasselsberger nur zornig: „Mit Vertrauen hat das nichts mehr zu tun, sondern mit Ahnungslosigkeit. Diese Wissenslücke ist gefährlich, denn in drei Jahren liegt der Realwertverlust, wenn es so weitergeht, bei 20 Prozent und das spürt dann jeder Bürger.“ Es braucht Zinsschritte, um den Euro zu stärken und die Inflation zu reduzieren.

Kaum Einschränkungen

Vom negativen Leitzins wird sich die EZB verabschieden, weil der Druck innerhalb des EZB-Entscheidungsgremiums wächst. Es ist davon auszugehen, dass im Sommer die Zinsen in ein, zwei Schritten erhöht werden, um sich von den Negativzinsen wegzubewegen. „Die Zinserhöhung würde die Industrie nicht einschränken“, beruhigt Gasselsberger. „Bei Eigenkapital und Liquidität ist die heimische Industrie sehr gut aufgestellt.“ Es sind eher die Kapitalmarktzinsen – also die langfristigen Zehnjahreszinsen – die gestiegen sind und welche die Industrie bei künftigen Investitionen spüren werden. „Aber die kleinen Zinserhöhungsschritte tun niemandem weh. Davor muss keiner Angst haben.“

Verschuldung steigt

Europaweit gesehen ist die Verschuldung Österreichs mit 80 Prozent noch vergleichsweise gering. „Es sind eine Vielzahl an Investitionen unaufschiebbar, die wahrscheinlich die Verschuldung tendenziell weiter nach oben bringt, trotz überbordender Steuereinnahmen“, sagt Gasselsberger und spricht sich für eine Verschlankung des Staates aus. „Es braucht Entbürokratisierungsmaßnahmen. Wenn man den Föderalismus zurückdrängen würde, könnte sich der Staat viel Geld ersparen.“ An bestimmten Strukturreformen wie etwa der Pensionsreform wird man nicht herumkommen, um die notwendigen Investitionen zu bewältigen. „Österreich hat es leider verabsäumt, in den Hochkonjunkturphasen die Staatsverschuldung stärker zurückzuführen, um in kritischen Zeiten Spielraum für Unterstützungsmaßnahmen zu tätigen. Das fällt uns jetzt auf den Kopf.“

oberoesterreich.iv.at

Information

Das Interview mit F. Peter Mitterbauer wurde finanziell unterstützt von der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ).


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