"Hygienemängel"

Weitere Zeugen im Prozess gegen NÖ Landesrat Waldhäusl geladen

Bis Anfang Juli sind noch mehrere Termine der Schöffenverhandlung fixiert.
Bis Anfang Juli sind noch mehrere Termine der Schöffenverhandlung fixiert.APA/SOPHIA KILLINGER
  • Drucken

Als erste Zeugin im Prozess um Amtsmissbrauch war am Mittwoch die Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft geladen. Sie zeigte sich wegen des Stacheldrahts in der Asylunterkunft Drasenhofen "entsetzt“.

Im Amtsmissbrauch-Prozess gegen den niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl und eine frühere Landesbedienstete in St. Pölten sind am Mittwoch drei weitere Zeuginnen befragt worden. Die Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft hatte sich bei einem Ortsaugenschein 2018 "entsetzt" über den Stacheldraht im Asylquartier Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) gezeigt. Beim nächsten Termin am 20. Juni soll Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als Zeugin aussagen.

Die Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft in Niederösterreich hatte aufgrund einer anonymen Beschwerde und medialer Berichterstattung die Unterkunft an der Grenze zu Tschechien am 30. November 2018, vier Tage nach der Eröffnung, besichtigt. Zum Zaun mit Stacheldraht meinte die Zeugin: "Ich habe das aus kinderrechtlicher Sicht nicht okay gefunden." In einem Bericht hatte die Juristin u.a. auch "grobe Hygienemängel" festgehalten. Die Unterkunft war damals "aus jugendrechtlicher Sicht im derzeitigen Zustand nicht geeignet" beurteilt worden. Die Jugendlichen durften nach Angaben einer Betreuerin das Asylquartier nur in Begleitung von Securitys verlassen.

„Symbolik von Freiheitsentzug und Kontrolle"

Eine Bereichsleiterin für Jugend und Soziales in einer nicht örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft hatte die Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft bei dem Termin begleitet. Vor dem Gebäude war der 53-Jährigen ein "Baustellenzaun mit Stacheldraht drauf" aufgefallen. "Ich habe mir gedacht: Entbehrlich", meinte die Zeugin: "Es war für mich eine Symbolik von Freiheitsentzug und Kontrolle", hätte aber wohl nicht diesen Zweck erfüllen können. "Die Einrichtung wurde offensichtlich sehr kurzfristig bezogen", verwies die Juristin u.a. auf spärliche Möblierung. Bei dem Besuch hatten ihren Angaben zufolge alle außer einer der Jugendlichen geschlafen: "Ich habe mir gedacht, was sollen die denn sonst machen? Es gab ja keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten." Ein pädagogisches Konzept und eine Tagesstruktur hätten gefehlt.

Jene Flüchtlinge, die nach Drasenhofen verlegt werden sollten, hatten "entsetzt" reagiert, berichtete die damalige Leiterin einer Asylunterkunft für Minderjährige in Korneuburg. Vonseiten des Landes sei eine Abholung ohne Vorwarnung gewünscht worden, damit die Jugendlichen nicht untertauchen. Ihre damalige Einrichtung habe nicht um Verlegung der Betroffenen angesucht, hielt die 35-Jährige fest. "Die Jugendlichen waren im Ausnahmezustand", sagte die Zeugin: "Das Erste, was von den Jugendlichen gekommen ist, war: 'Das ist eine Abschiebung.'" Man habe wegen einer Suiziddrohung auch die Polizei gerufen. Nach dem Umzug erzählten die Flüchtlinge laut der Frau, "dass sie nicht rauskönnen". Eine weitere geladene Zeugin konnte krankheitsbedingt nicht befragt werden. Gezeigt wurde am Mittwoch auch ein "ZiB 2"-Interview mit Waldhäusl vom 30. November 2018.

Amtsmissbrauch, Verleumdung und Fälschung

Laut Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sollen zumindest 14 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im November 2018 in ein ungeeignetes Quartier verlegt worden sein. Die Jugendlichen sollen einer "ihre Persönlichkeitsentwicklung destabilisierenden Maßnahme unterworfen" und in ihrem Recht auf Grundversorgung und Unterbringung in einer geeigneten Unterkunft geschädigt worden sein. Nach Protesten hatte Landeshauptfrau Mikl-Leitner am 30. November 2018 die Verlegung der Flüchtlinge an einen anderen Standort angeordnet.

Der ehemaligen Landesbediensteten wird neben Amtsmissbrauch auch Fälschung eines Beweismittels und Verleumdung vorgeworfen. Sie soll im Ermittlungsverfahren eine E-Mail unvollständig vorgelegt und so den Verdacht auf ihren Vorgesetzten gelenkt haben. Die beiden Beschuldigten haben sich zu Prozessbeginn Anfang Februar nicht schuldig bekannt.

Weitere Termine der Schöffenverhandlung am Landesgericht St. Pölten sind vorerst bis zum 23. September fixiert. Auch nach Drasenhofen verlegte Flüchtlinge sollen als Zeugen befragt werden.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kam als Zeugin: Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Niederösterreich

Mikl-Leitner sagt zur Stacheldraht-Affäre aus

Im Amtsmissbrauchs-Prozess gegen Niederösterreichs FPÖ-Asyl-Landesrat Gottfried Waldhäusl hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ihren Zeugenauftritt. Es ging um das umstrittene Asylwerber-Quartier in Drasenhofen.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am 20. Juni 2022 anlässlich des Prozesses gegen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) am Landesgericht St. Pölten
Niederösterreich

Waldhäusl-Prozess: Mikl-Leitners zehnminütiger "Beitrag zur Aufklärung"

Niederösterreichs Landeshauptfrau wurde als Zeugin im Amtsmissbrauch-Prozess gegen FPÖ-Landesrat befragt. Es geht um die Unterbringung von Flüchtlingen in Drasenhofen.
In Niederösterreich sollen nur noch Frauen und Kinder aus der Ukraine untergebracht werden (Bild: Flüchtlinge am Wiener Hauptbahnhof).
Ukraine-Krieg

Niederösterreich: Landesrat Waldhäusl setzt auf "Triage im Asylbereich"

Quartiere seien nur noch für "Frauen und Kinder aus der Ukraine“ vorgesehen, erklärt der FPÖ-Politiker.
Gottfried Waldhäusl vor Gericht.
Niederösterreich

Waldhäusl-Prozess: "Wenn ich das alles wüsste, würde ich in der Fachabteilung arbeiten"

Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat und die Mitangeklagte bestritten am zweiten Prozesstag erneut den Vorwurf des Amtsmissbrauchs. Der nächste Termin findet 7. März statt.
Landesrat Waldhäusl vor seiner Richterin.
Angeklagt

FPÖ-Waldhäusl vor Gericht: "Das waren keine Kinder"

Er verlegte Asylwerber in ein Quartier mit Stacheldraht. Nun ist FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl angeklagt. Und gibt an: „Hätte wer gesagt: ,Das geht nicht‘, hätte ich es nicht gemacht.“

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.