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Salzburger Festspiele

„Ein Advokat der Unterdrückten“

Jakub Hrůsá macht der Facettenreichtum JanáČeks glücklich.
Jakub Hrůsá macht der Facettenreichtum JanáČeks glücklich.(c) beigestellt
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Festspieldebütant am Pult Jakub Hrůša erkennt in Leoš Janáček einen der originellsten Schöpfer der Musikgeschichte.

Was bedeutet es Ihnen, Ihr Festspieldebüt gerade mit „Katja Kabanowa“ zu geben?

Jakub Hrůša: Das Festspieldebüt in Salzburg bedeutet mir wirklich viel, und dass ich es mit dieser Oper von Janáček machen darf, ist besonders schön. Sie ist eine von jenen, die ich am liebsten mag und für die ich immer sehr starke Gefühle hatte. Sie war auch – zusammen mit „Jenůfa“ – die erste Oper dieses Komponisten, die ich einst studierte. Vielleicht ist sie auch die unter den kompositorischen „Kindern“ des mährischen Meisters, die am besten mit dem Publikum kommuniziert.

Inwiefern hilft es einer Einstudierung wie jener von „Katja Kabanowa“, wenn der musikalische Leiter Muttersprachler ist? Ist nicht gerade in dieser Oper die Sprache besonders bedeutsam?

Während ich mehr und mehr Erfahrung mit Opern und anderen Musikwerken mit Text in meinem Leben sammle, finde ich es immer wichtiger, die ursprüngliche Sprache der Komposition gut zu kennen. Wenn man sie sogar als Muttersprache beherrscht, ist es noch besser. Obwohl ich die Leser davor warnen möchte, zu einfach zu denken: Nicht, dass es automatisch heißt, Muttersprachler ist gleich die Person, die das beste oder sogar das einzig richtige Verständnis für das Werk haben kann. Das ist nicht wahr. Aber viele verborgene Türen zu den Geheimnissen der Welt des Autors werden in dieser Weise unmittelbarer aufgeschlossen.

Inwiefern konnte Janáček den Duktus der verwendeten Sprache besonders gut musikalisch transformieren?

Jeder „Tonsetzer“ transformiert die benutzte Sprache (meistens die Muttersprache), wenn er auf sie komponiert, aber einige schaffen es, von ihr eher selbst inspiriert zu werden und den Notentext besonders exzellent an sie anzupassen. In diesem Sinne wurde im Fall von Janáček eher Musik von der Sprache transformiert als umgekehrt. Und trotzdem kommuniziert Janáčeks Musik am Ende auch für die, die Tschechisch nicht können, immer ganz natürlich. Dem Publikum darf der Mangel an Sprachkenntnis keine Barriere sein, wenn wir unsere Arbeit gut leisten. Das ist der Zauber der Oper!

Wie ist es für Sie, unter anderem recht stark mit tschechischer Musik identifiziert zu werden?

Jedem werden Identitäten anhand von Äußerlichkeiten zugeschrieben – die Gesellschaft mag „Vignetten“, damit sie sich unter den Künstlern orientieren kann. Tatsächlich ist tschechische Musik eigentlich die Minderheit meiner Aktivitäten. Aber sicherlich ist dieses Segment in meiner Laufbahn das allerwichtigste. Und wenn mir diese fantastischen künstlerischen Gelegenheiten begegnen, wie nun die Festspiele in Salzburg, – wie könnte ich was dagegen haben! Ich liebe tschechische Musik und was ich liebe, möchte ich mit anderen Menschen kreativ teilen.

Was schätzen Sie generell besonders an dieser Oper? Und an Janáček?

Schwierig, das in wenigen Worten zu sagen. Ich glaube die Wahrheit der Emotionen, die Mutigkeit der musikalischen Sprache, Empathie für die unterdrückten Charaktere – Janáček könnte generell „ein Advokat der Unterdrückten“ genannt werden. Neben den Frauen sind es oft die Armen, die „Anderen“, die Intelligenten unter den eher Einfacheren, Leute am Rand der Gesellschaft. Ich glaube, ich bin nicht zu weit weg von der Realität, wenn ich sage, dass kompositorisch und theatralisch Janáček überhaupt einer der originellsten Schöpfer aller Zeiten in der Musikgeschichte war. Die scharfen Kontraste in seiner Musik und seine unendliche Humanität rühren mich ohne Ende.

»"JanáČek ist
einfach große
Kunst, billig agiert er nie.“«

Warum ist gerade diese Oper eine besonders bekannte aus seinem Œuvre?

Ich glaube, sie ist im Konzept und in ihrer Musikfantasie unter Janáčeks Opern die harmonischste, die rundeste, aber – das Wort geht mir nicht einfach über die Lippen – man könnte auch sagen: die traditionellste. Man kann sie problemlos begreifen und sich mit ihrer Geschichte identifizieren. Die Figur von Katja ist dann eine aus der Reihe der beliebten Heldinnen wie Violetta, Cio-Cio-San oder Rusalka, mit denen wir unmittelbar und sehr stark mitfühlen. Neben der folkloristischen und etwas in der Nähe vom Verismus stehenden „Jenůfa“ ist sie sicher die, die ich einem Janáček-Anfänger zuerst empfehlen würde. Für mich, der ich schon jahrelang ein solcher Janáček-Liebhaber bin, strahlen die etwas komplizierteren Werke, wie „Die Sache Makropulos“, „Aus einem Totenhaus“ oder „Die Ausflüge des Herrn Brouček“, andere kostbare, weitergehende Impulse aus. Aber wie gern komme ich regelmäßig zurück zu diesen populäreren Meisterwerken! Nun habe ich gewissermaßen das Privileg, mich sowohl mit „Katja Kabanowa“, wie auch mit „Aus einem Totenhaus“ zu beschäftigen; es macht mich richtig glücklich, mir verschiedene Facetten des Œuvres Janáčeks täglich anzuschauen.

Wie kann man das Publikum denn noch mehr für diese Musik gewinnen?

Man gewinnt die Leute erstens dadurch, dass diese Werke überhaupt auf den Spielplan kommen. Ich bin dankbar, dass sich Salzburg auf diesem Gebiet so toll engagiert. Und dann müssen die Inszenierung und die Musik absolut fantastisch sein. Andere Rezepte existieren nicht. Janáček ist einfach große Kunst, billig agiert er nie. Trotzdem ist diese Kunst durch und durch menschlich und jedem Menschen zugänglich.

Was schätzen Sie an der Arbeit mit Regisseur Barrie Kosky?

Er ist eine faszinierende Persönlichkeit. Sehr wenige Regisseure sind so unglaublich umfassend kulturell informiert und strahlen solch einen Theaterenthusiasmus aus wie er. Für mich als Musiker ist ein Aspekt aber besonders wichtig: Er kennt sich sehr gut in Musik aus, und ich lerne von ihm immer viel, wenn wir gemeinsam etwas entwickeln. Dazu kommt in diesem Fall noch meine Sicherheit, dass er diese Oper wirklich sehr mag; und er hat – zu meiner Freude – mehrmals gesagt, was für ein Vertrauen er in mich als Janáček-Interpret und als seinen Kollegen hat. Dieses Vertrauen habe ich ebenso zu ihm als Regisseur. Ich freue mich auf unsere Momente in Salzburg. Und ich freue mich besonders auf Corinne Winters als Katja. Sie ist eine herrliche Darstellerin für diese Rolle, so gut besetzt!

Information & Karten

Die Salzburger Festspiele finden von 18. Juli bis 31. August 2022 statt. Nähere Informationen: 

www.salzburgerfestspiele.at/p/kata-kabanova

Kartenbüro
Herbert-von-Karajan-Platz 11
5020 Salzburg, Österreich
Tel. +43 662 8045 – 500
info@salzburgfestival.at

Öffnungszeiten: Mo-Fr 10:00 bis 12:30 und 13:00 bis 16:30

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