Quergeschrieben

Nein, nicht alle Sanktionen gegen Putin ergeben wirklich Sinn

Auch wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen ein verbrecherisch regierendes Regime sollten nach einer Nutzen-Kosten-Rechnung verhängt werden.

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Wenn bei einem schwer erkrankten Patienten ein bestimmtes Medikament überhaupt nicht wirkt, aber schwere Nebenwirkungen auslöst, dann wird es im Normalfall nicht angeraten sein, einfach die Dosis dieses Medikamentes zu erhöhen und zu hoffen, dass es nun endlich doch wirkt. Das wird nämlich nicht der Fall sein.

Je länger der Krieg Russlands gegen die Ukraine anhält, umso mehr muss man zum Schluss kommen, dass es sich mit den westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Putins Regime ganz ähnlich verhält. Denn diese Sanktionen haben zweifellos der russischen Volkswirtschaft erheblichen Schaden zugefügt, ihr eigentliches Ziel freilich nicht einmal annähernd erreicht: Putin derart stark unter Druck zu setzen, dass er den Krieg beendet oder zumindest einem Waffenstillstand zustimmt.

Doch obwohl der Versuch, ein Kriegsende mit einem Embargo zu erzwingen, gescheitert ist, setzen die EU-Staaten weiter unverdrossen auf diese Methode und arbeiten bereits am nächsten „Sanktionen-Paket“. Und dann wahrscheinlich am übernächsten. Angesichts der bisher überschaubaren Erfolge ist allerdings stark zu vermuten: Eine noch so wünschenswerte Kapitulation Putins wird sich auch mit noch so vielen Pakten nicht herbeiführen lassen. Es wäre deshalb vermutlich nicht ganz unvernünftig, die bisherigen Maßnahmen zu überdenken.

Das gilt umso mehr, als von Tag zu Tag klarer wird, dass einige Sanktionen die Sanktionierenden nicht weniger schmerzhaft treffen als die Sanktionierten. Vor allem dann, wenn die Sanktionen einigermaßen ernst genommen werden und Europa auf Gas aus Russland verzichtet, was unweigerlich zu weiteren Preisschüben und Arbeitslosigkeit in Teilen der Industrien führen und wohl eine Rezession bewirken würde.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich argumentiere nicht grundsätzlich gegen Sanktionen – jedoch gegen jene Sanktionen, die im Westen mehr ökonomischen Schaden anrichten als in Russland. Das Einfrieren der Moskauer Zentralbank-Milliarden war nach diesem Kriterium vernünftig, andere Maßnahmen sind es weniger. Bleibt noch das Argument, ohne totales Embargo würde der Westen gleichsam Putins Kriegsmaschine finanzieren. Das stimmt auch bis zu einem gewissen Grad, negiert aber, dass Russlands Militär kaum von Devisen abhängig ist – seine Soldaten werden ja in Rubel bezahlt.

Als Argument für noch drastischere Sanktionen wird schließlich auch angegeben, die solcherart herbeigeführte Unzufriedenheit der Bevölkerung wegen hoher Inflation und Lücken in der Versorgung würde zu einem Regimewechsel führen und damit ein Kriegsende wahrscheinlicher machen.

Stimmt das, wären die Regimes in Nordkorea, im Iran oder auch in Kuba schon längst Geschichte, die allesamt Ziel teils viele Jahre währender Sanktionen waren und sind – ohne dass der erwünschte Effekt eingetreten wäre. Das wird im Fall Russlands nicht anders sein, ist zu befürchten.

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