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Mit Sexspielzeug für Zadie Smith werben?

Zadie Smith
Zadie SmithAPA/AFP/GETTY IMAGES/Michael loc
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Über einen bizarren Versuch, das renommierte US-Literaturmagazin „The Believer“ sexy zu machen.

Alles ist kaputtkapitalisiert im neuen Roman „RCE“ von Sibylle Berg, der nur eine Spur später als in unserer Gegenwart spielt; da bleibt wenig Zukunftshoffnung. Aber die Literaturwissenschaft, diese unrentable Zunft, die überlebt! Man ist in dieser Welt nämlich draufgekommen, dass sich in Romanen oft die nahe Zukunft verdichtet. Ein „Cassandra-Team“ durchforstet also Romane nach Hinweisen auf Anzeichen bevorstehenden Unheils und leitet die Ergebnisse an die Exekutive weiter . . .

So könnte man dann sogar Literaturmagazine finanzieren. Von denen kämpfen ja auch einige der besten immer wieder ums Überleben. Wie die Zeitschrift „The Believer“, die seit ihrer Gründung 2003 in San Francisco fünf Mal unter den Finalisten für den National Magazine Award war. Eine Plattform für Gewagtes, Originelles, mit prominenten Autoren wie Zadie Smith, Anne Carson oder Nick Hornby.

Zuletzt aber hat es eine interessante Wendung mit ihr genommen. Und zwar seit es 2021 nach einer Insolvenz von einem Literaturinstitut in die Hände von Paradise Media gelangte, einer Marketingfirma für digitalen Content. Sie kauft Websiten, verbessert ihre digitale Präsenz mittels SEO (Suchmaschinenoptimierung) und verkauft dann Werbeplätze auf den Seiten. Bei den Inhalten, denen sie „digitale Präsenz“ verspricht, lässt sie Vielfalt walten. Auch Sexspielzeug gehört dazu.

Paradise Media versuchte auch, das renommierte Literaturmagazin sexy zu machen. (Dessen Website übrigens durch die vielen prestigereichen Seiten, die zu ihr verlinken, bei Google gut bewertet, für die Firma also durchaus interessant ist.) Doch die Leserinnen und Leser waren „not amused“, als sich auf der Website neben famosen Essays und Gedichten Werbung für Casual-Dating-Plattformen häufte – und dann auch noch die von Paradise Media betriebene Website Sex Toy Collective (sie testet Sexspielzeug) sich auf Twitter irreführend als neuer Besitzer des „Believer“ deklarierte.

Inzwischen gehört das Magazin nach Protesten wieder seinem langjährigen Erstbesitzer, McSweeney's. Ein Verlag, gegründet vom berühmten US-Autor Dave Eggers – ausgerechnet. Dieses seltsame Abenteuer würde nämlich wunderbar in seinen Roman „The Circle“ hineinpassen. Da zeigt er, was der Wettlauf ums Geld im Netz alles anrichten kann. Bei ihm hat er ein weltweit die Freiheit vernichtendes Monopol hervorgebracht: Die größte Suchmaschine, der größte Social-Media-Anbieter und das größte Onlineversandhaus der Welt sind fusioniert.

Aber noch sind wir in der Gegenwart, und „The Believer“ hat wieder einen guten Platz. Noch ist vieles möglich. Wenn man etwas dafür tut.

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