Leitartikel

Fatigue in der Politik, oder: Gruppenfahrt im Schlafwagen

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken
  • Kommentieren

Hitzige Zeiten? Von wegen: In der Koalition herrscht Flaute, die SPÖ ist ohne offensiven Gegenentwurf. Da passt die Hofburg-Resignation gut dazu.

Es gibt da seit Monaten eine weitverbreitete Wahrnehmung zum innenpolitischen Status quo, die sich erstaunlich hartnäckig hält: Seit dem Abgang von Sebastian Kurz, das sagen auch die Grünen selbst, sei ihnen das Leben in der Koalition leichter. Per se wären das hervorragende Nachrichten. Denn in der – wider die öffentlich-mediale Wahrnehmung – übrigens gar nicht so miesen Bilanz dieser Regierung waren es gar nicht selten die Grünen, die das politisch Substanzielle vorangetrieben haben: vom Klimaticket über das Erneuerbaren-Ausbaugesetz bis hin zu Systemumbauten via Öko-Steuerreform. Mehr Luft für den Juniorpartner hieße nach dieser Logik: mehr Politik in ihrem ureigensten Sinn, nämlich der nachhaltigen Veränderung der Regeln unseres Zusammenlebens, die man hernach für gut oder schlecht befinden kann.

Die Sache ist nur: Einem Faktencheck hält diese Wahrnehmung nicht stand. Der Karren steht nahezu, Mut und Wille zur inhaltlichen Disruption scheinen ob des bisher Abgearbeiteten abhandengekommen. Und das eigentlich seit Monaten.

Selbst zigfach versprochene Projekte wie das Paket gegen Korruption, das Amtsgeheimnis-Aus oder Simples wie das Pensionssplitting stecken fest – obwohl es dabei wie etwa beim Straftatbestand für Mandatskauf um Vorhaben geht, gegen die kein Mensch bei Trost den kleinsten Einwand erheben könnte. Und da ist noch keine Rede vom wirklich Großen auf der türkis-grünen To-do-Liste: Beim Klimaschutzgesetz etwa – es gibt seit dem Auslaufen der Vorgängerregelung übrigens seit fast eineinhalb Jahren keines mehr – geht gar nichts, auch mit der Energie- und Antiteuerungspolitik plagt man sich, Stichwort Gasthermenverbot. Muntere Geld- und Gutscheinverteilungen ohne systemische Eingriffe mögen zuletzt punktuell über die türkis-grüne Fatigue hinwegtäuscht haben; am ernüchternden Gesamteindruck ändern sie wenig.

Das zeigt im Übrigen auch ein Blick auf eine harte Währung des Koalitionsgeschäfts: die schnöde Homepage des Parlaments. Ganze acht Regierungsvorlagen liegen dort gerade zur Begutachtung auf – es sind größtenteils Formalitäten. Und das eineinhalb Monate vor der parlamentarischen Sommerpause. Sprich: in einer Zeit, in der das Hohe Haus ob der üblicherweise sechswöchigen Begutachtung eines Vorhabens eigentlich mit noch rasch zu beschließenden Ideen geflutet werden müsste. Diese Leere ist kein Regierungsphänomen: Von einem offensiv formulierten Gegenentwurf der Bundes-SPÖ, die zwar Neuwahlen beantragt und auf Umfragen gestützt mit ihrem Kanzleranspruch hausiert, fehlt jede Spur, lieber verlässt man sich in aller Ruhe auf die fortschreitende Malaise in Türkis. Kurzum: Die ach so hitzigen Zeiten, die wir angeblich durchleben, fühlen sich fernab von Personalrochaden gerade ziemlich fad an.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.