Armee

Die verdeckte Mobilmachung in Russland

Auf russischer Seite wird schnell gehandelt - und aufgestockt.
Auf russischer Seite wird schnell gehandelt - und aufgestockt. (c) IMAGO/ITAR-TASS (IMAGO/Vladimir Gerdo)
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Wie Moskau für Nachschub im Donbass sorgt – und wo die Lage für die Ukrainer zurzeit „extrem schlecht“ ist.

„Wir müssen die Sicherheit unseres Landes schützen, wir müssen schnell handeln“, sagt Andrej Krassow, ein Abgeordneter der russischen Regierungspartei Einiges Russland am Rednerpult in der Staatsduma in Moskau. Schnell handeln die Parlamentarier tatsächlich und stimmen geschlossen einer Gesetzesänderung zu, wonach die Altersgrenze für Vertragssoldaten aufgehoben werden soll. Demnach können nun „alle Bürger arbeitsfähigen Alters“ – das heißt bis 65 Jahre – auf Vertragsbasis bei der russischen Armee dienen. So kann die russische Staatsmacht mehr Soldaten für die Front in der Ukraine rekrutieren, um trotz massiver Verluste, ihre „Ziele“ zu erreichen und den „Plan“ zu erfüllen, von dem der russische Präsident, Wladimir Putin, stets spricht, ohne dass er die Worthülsen mit Inhalt füllen würde.

Altersobergrenze kräftig angehoben

Niemand der 417 anwesenden Abgeordneten enthält sich während der Sitzung an diesem Mittwoch, niemand stimmt dagegen. „In Zeiten des Krieges müssen wir komplexe Entscheidungen treffen“, sagt Nikolai Kolomejzew, ein Kommunist. Er benutzt das Wort Krieg, auch wenn dieser in Russland offiziell „militärische Spezialoperation“ genannt werden muss. Er spricht auch von „besetzten Territorien“ und berichtigt sich sogleich: „Ach ja, befreite.“ Einer will die 18-Jährigen davor schützen, zum „Kanonenfutter zu werden, weil sie so jung und unerfahren sind“, wie er sagt. Ein anderer nennt alle über 40-Jährigen „unbrauchbar für den Dienst an der Waffe“. Nach knapp 20 Minuten ist das Gesetz in allen drei Lesungen beschlossen. Zuvor lag die Obergrenze bei 40 Jahren für russische Staatsbürger und bei 30 Jahren für ausländische.

In der Begründung für die Änderung hatte es geheißen, für den Einsatz von hochpräzisen Waffen sowie den Betrieb von Waffen und militärischer Ausrüstung würden hochprofessionelle Spezialisten benötigt, und erfahrungsgemäß bestünde diese Spezialisierung erst im Alter von 40 bis 45 Jahren. Vor allem in der medizinischen Versorgung, aber auch für die Instandsetzung der Technik sowie für die Aufklärung brauche es diese Änderung, sagte Andrej Krassow, der Mitinitiator des veränderten Gesetzes. Die Neuerung ist Teil der verdeckten Mobilmachung in Russland. Da die Führung, so sagen es Beobachter im Land, aus Sorge um fallende Zustimmungswerte für die „Spezialoperation“ keine Generalmobilmachung ausruft, aber dennoch Nachschub an militärischem Personal braucht, setzt sie auf geschickte Mobilisierung mit anderen Mitteln. Das veränderte Gesetz erlaubt es zum einen, dass die bereits als Freiwillige in der Ukraine Kämpfenden legalisiert werden, zum anderen können dadurch mehr Menschen rekrutiert werden.

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