Ukraine-Krieg

Nehammer telefoniert mit Putin, Neos üben Kritik

Bundeskanzler Karl Nehammer führte am Freitag zahlreiche Telefongespräche - auch mit Russlands Präsident Putin.
Bundeskanzler Karl Nehammer führte am Freitag zahlreiche Telefongespräche - auch mit Russlands Präsident Putin. (c) APA/HANS PUNZ
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Russland habe positive Signale gegeben, Saatgut-Exporte zu ermöglichen, sagte Bundeskanzler Nehammer am Freitag, nach zahlreichen Telefonaten. Experte Mangott bezweifelt einen „echten Vermittlungsversuch“. Die Neos orten „Showpolitik“.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) informierte am Freitagnachmittag kurzfristig über eine Reihe von Telefongesprächen, die er am Freitag im Kontext des Ukraine-Kriegs geführt hatte. Unter anderen sprach Nehammer dabei auch 45 Minuten lang mit Wladimir Putin.

Schon vorab war aus dem Kanzleramt angekündigt worden, dass Nehammer mit Putin über Möglichkeiten eines Gefangenenaustauschs und möglichen grünen Korridoren für den Export von dringend benötigtem Saatgut sprechen wolle. Zuvor fanden Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij, dem Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes Maurer, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Guterres, sowie dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan statt.

Dabei habe man der Ukraine angeboten, 100 Schwerverletzte zu übernehmen, vorrangig Frauen und Kinder, die durch Schussverletzungen Gliedmaßen verloren haben, sagte Nehammer. Er sicherte auch eine Unterstützung bei der Sicherstellung grüner Korridore - auch über den Seeweg - für den Export tausender Tonnen von Saatgut in Aussicht. Diese müssten schnellstens ausgeliefert werden, „um die Welt zu ernähren.“ Hier leiste Österreich - durch den Raiffeisenkonzern - einen „wertvollen Beitrag in der Logistik“.

„Intensives und ernstes“ Gespräch mit Putin

Nehammer hatte sich vor dem Gespräch mit Putin auch mit dem UNO-Generalsekretär abgestimmt, den Nehammer in der Frage der grünen Korridore als Vermittler ins Spiel brachte. Ziel sei es, dass es zwischen der Ukraine und Russland zu einem Agreement für die Auslieferung von weltweit benötigtem Saatgut und Düngemittel kommt. Mit dem Roten Kreuz habe er die Frage des ins Stocken geratenen Gefangenenaustauschs besprochen.

Das abschließende Gespräch mit Putin sei - als Fortsetzung von jenem in Russland vor eineinhalb Monaten - erneut „sehr intensiv und ernst“ gewesen. Nehammer habe ihm dabei eine „klare Konfrontation mit dem Wahnsinn“ seines Krieges und dem Leid der Menschen geliefert. Putin habe dabei durchaus Bereitschaft signalisiert, die Exporte über den Seeweg ermöglichen zu wollen. Doch die „wirkliche Bereitschaft zeigt sich erst dann, wenn das wirklich realisiert wird“, sagte Nehammer skeptisch. Hierbei solle UNO-Generalsekretär Guterres als Vermittler agieren. Auch habe Putin zugesichert, wieder verstärkt über Gefangenenaustausch verhandeln zu wollen, sagte Nehammer.

„Es ist wieder ein Schritt mehr“, sagte Nehammer über das Gespräch, in dem Putin jedoch weiterhin seine „eigene Kriegslogik“ und sein „eigenes Narrativ“ fortgeführt habe. Dieser sei sich aber der Dramatik bewusst, die der Krieg für die Ernährungssicherheit der gesamten Welt bedeute. Es werde sich aber erst in den nächsten Tagen weisen, ob die positiven Signale Putins tatsächlich zu den erhofften Auslieferungen führen, sagte Nehammer. Über Forderungen Putins an die Ukraine habe man nicht gesprochen. „Das wichtigste ist, was die Ukraine will, sie ist das Opfer“, sagte Nehammer. „Das verbietet uns, dass wir vorgeben, was die Ukraine will.“ Selenskij habe betont, dass er erst in Verhandlungen treten wolle, wenn sich die russische Armee zurückzieht. Dabei sei er „sehr klar und nicht bereit, über eine Abweichung nachzudenken.“

Neos kritisieren „Showpolitik“, Experte skeptisch

Die Opposition erkennt in Nehammers neuerlichen diplomatischen Aktivitäten ein Ablenkungsmanöver. „Immer wenn es für die ÖVP eng wird, denkt sie sich irgendeine fesche Inszenierung aus“, sagte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos in Anspielung an die Debatte rund um die Verwendung von Corona-Hilfsgeldern des ÖVP-Seniorenbunds.

„Nach dem nicht abgesprochenen Besuch bei Putin, ist es heute ein Telefonat mit dem Kriegstreiber. Diese ewige Showpolitik kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ÖVP den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Antworten in der Causa Seniorenbund schuldig ist.“ Die Neos wollen Anzeige erstatten.

Auch der Russland-Experte Gerhard Mangott zeigte sich im Anschluss an die Pressekonferenz auf Twitter skeptisch: Hätte es sich um einen echten Vermittlungsversuch gehandelt, hätte es das Pressestatement im Anschluss gar nicht gegeben. „Mediation geschieht im Verborgenen, nicht vor offenen Mikrofonen“, schrieb Mangott.

(juwe)

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