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Gebäude der Zukunft: "Zeigen, was alles möglich ist"

Bekam am meisten Punkte: das Ilse-Wallentin-Haus der Boku an der Türkenschanze.
Bekam am meisten Punkte: das Ilse-Wallentin-Haus der Boku an der Türkenschanze.Florian Voggeneder
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Österreich hat Nachholbedarf, was nachhaltiges Bauen und Sanieren betrifft. Best-Practice-Beispiele, die zudem architektonisch wertvoll und auch wirtschaftlich sind, sollen zeigen, wie's geht.

Wir wollen Gebäude, die nachhaltig und energieeffizient gebaut wurden, vor den Vorhang holen“, sagt Inge Schrattenecker. Sie ist stellvertretende Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (Ögut) und Leiterin des im Auftrag des Klimaschutzministeriums durchgeführten Programms „Klimaaktiv Bauen und Sanieren“. Vor den Vorhang geholt wurden vor Kurzem 38 solche Gebäude in ganz Österreich: Sie erhielten Auszeichnungen, weil sie besonders hohe ökologische Standards erfüllen. 13 weitere Bauprojekte wurden für gleichartige Leistungen von der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB) gewürdigt.

Alle Ansprüche vereinen

„Die Kriterienkataloge beider Einrichtungen sind einander sehr ähnlich“, erklärt Schrattenecker. Es gehe darum, Best-Practice-Beispiele dafür aufzuzeigen, dass es gelingen kann, wirtschaftlich, architektonisch ansprechend und gleichzeitig nachhaltig zu bauen. „Oft hört man ja, umweltfreundliche Maßnahmen seien zu teuer und würden sich nicht rechnen. Wir wollen mit den Gütesiegeln die Immobilienbranche, von den Planungsbüros bis zu den Bauträgern, darauf aufmerksam machen, dass Gebäude der Zukunft alle Ansprüche vereinen können.“

Eine Senkung der Schadstoffemissionen aus dem Gebäudesektor sei unabdingbar, will man die angestrebte Klimaneutralität in Österreich bis zum Jahr 2040 erreichen, so die Expertin. Die Sanierungsrate liegt bei unter zwei Prozent. Von den rund 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, die Österreich jährlich ausstößt, entfallen rund zehn Prozent auf Gebäude. Heizung und Warmwasseraufbereitung sind dabei die großen Treiber.

„Der Einsatz fossiler Energieträger schließt eine Auszeichnung von vornherein aus“, verweist Schrattenecker auf den neuesten Kriterienkatalog der Ögut, der der Energieversorgung besonders hohen Stellenwert beimisst. Pluspunkte gibt es unter anderem für den Einsatz erneuerbarer Ressourcen und klimaschonender Rohstoffe sowie für Produkte und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Aber auch Aspekte wie die Qualität der Raumluft oder die Versorgung mit Tageslicht, die zum Wohnkomfort beitragen, fließen in die Bewertung ein. Dazu kommen Standortfaktoren, etwa Maßnahmen zur Förderung umweltfreundlicher Mobilität.

Vorbildlich gebaut

1240 Gebäude wurden seit 2005 mit dem Ögut-Gütesiegel versehen. Mehr als ein Drittel der bisher deklarierten Bauprojekte befindet sich in Tirol, jeweils etwa ein Fünftel in Niederösterreich und Wien. In der Bundeshauptstadt steht auch jenes Gebäude, das bei der diesjährigen Bewertung die höchste Punktezahl erreichte: das Ilse-Wallentin-Haus der Universität für Bodenkultur (Boku). Das vor eineinhalb Jahren eröffnete Instituts-, Bibliotheks- und Seminargebäude im 19. Bezirk erreicht mit seiner hochwärmegedämmten Gebäudehülle und einer besonders ausgeklügelten Haustechnik die Energiebilanz eines Niedrigenergiehauses.

Geheizt wird mit Fernwärme, die Wärmeabgabe erfolgt über einen speziellen Estrich, der im Sommer auch zur Kühlung beiträgt. Zusätzlich verhindert ein außen liegender Sonnenschutz eine übermäßige Sonneneinstrahlung in der heißen Jahreszeit. Die Fassade besteht aus unbehandeltem Lärchenholz, insgesamt liegt der Holzanteil der verbauten Materialien bei fast 80 Prozent. „Im Dialog des Innenraums aus diesem natürlichen Baustoff mit dem umschließenden Grünraum liegt der besondere Charakter des Gebäudes“, sagt Christoph Falkner vom Architekturbüro SWAP, nach dessen Plänen das Haus errichtet wurde.

Von der ÖGNB wurde das Wohnprojekt Seeparq Aspern am besten bewertet. Eine Bauteilaktivierung fürs Heizen und Kühlen trägt zum Erreichen des Passivhausstandards bei. Baubiologisch geprüfte Baustoffe, viel Grün auf den Terrassen sowie Strom aus Fotovoltaik, mit dessen Hilfe unter anderem Energie aus dem Grundwasser gewonnen wird, setzen den Nachhaltigkeitsgedanken um.

Bürogebäude Hansenstraße 3 in 1010 Wien.
Bürogebäude Hansenstraße 3 in 1010 Wien.Virtus Sechzehn Beteiligungs GmbH

Ökologisch wertvollstes Sanierungsvorhaben laut Ögut ist die Generalüberholung des denkmalgeschützten Hauses Hansenstraße 3 in der Wiener Innenstadt. Die hofseitigen Fassaden des 1870 im Stil der Neu-Wiener Renaissance errichteten Objekts wurden gedämmt, beim Innenausbau wurden ausschließlich emissionsarme Materialien verwendet. Versorgt wird das Gebäude über Fernwärme und Fernkälte sowie eine kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung. Ein umfassendes Energiemonitoring sorgt im Betrieb für Qualitätssicherung. Jährlich, so Schrattenecker, kommen rund 200 Gebäude zum Kreis der Ausgezeichneten hinzu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2022)

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