Gegengift

Das tiefschwarze „Schottische Stück“ im Horrorjahr

Zu 2022 passt nichts besser als Shakespeares kürzeste Tragödie, in der wie durch bösen Zauber alle Hoffnung zunichte gemacht wird.

Unter den vielen Neigungsgruppen in den Werkshallen des „Gegengifts“ gibt es eine besonders tapfere. Erfahrene und weltgewandte Leserinnen und Leser ahnen es; das sind die Theaterkritiker, die sich mit Todesverachtung in komplexe Festwochen-Installationen stürzen, sich vor keiner politisch korrekten Volkstheater-Performance drücken und sogar vor modisch-teutonischen Shows im Burgtheater nicht zurückschrecken. Vor einem aber haben sie alle eine Heidenangst, das sei hier gebeichtet. Vor „The Scottish Play“ des Unruhestifters Shakespeare.

Den wahren Namen der Tragödie auszusprechen, weigern sie sich. Nur unter äußerstem Druck des Chefredakteurs verraten sie, dass sie mit Mac beginnt und nicht mit Donalds aufhört. Denn solch ruchlosen, 1000Jahre alten Königsnamen leichtsinnig zu beschwören, bringt seit 1606 Unglück. Das wäre fast so schlimm, als ob ein Kammerschauspieler mit eigenem Hut auf die Bühne der Josefstadt träte. Sagte man vor der Premiere ***beth, dem Bürger flöge vom spitzen Kopf der Hut, Dachdecker stürzten ab und gingen entzwei, die Eisenbahnen fielen von den Brücken. Und die Korrektur machte dann noch aus Banquo einen Bänker. Kurz: Der Dritte Weltkrieg drohte. Nein, die kürzeste Tragödie des Anarchisten aus Stratford-upon-Avon, in der nicht nur Hexen furchtbare Fragen stellen, sondern ständig aus Not und ohne sie von allen gelogen wird, kennt kein Erbarmen. Die Zeit ist aus den Fugen, die Welt ist schlecht, das Schwein, der Mensch.

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