Bei der Herstellung von Zement wird unweigerlich CO2 produziert. Aber warum soll das Treibhausgas nicht als Rohstoff dienen?
Zukunft

Die grüne Überlebensfrage für Österreichs Industrie

Heimische Unternehmen basteln an klimaneutralem Stahl und Plastik aus CO2. Doch zaudernde Politiker verschleppen die grüne Wende der Industrie und setzen damit Klima und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes aufs Spiel. Was passiert da?

Vor zehn, fünfzehn Jahren waren die Fronten klar: Industriebosse und Umweltschützer standen einander mit tiefem Misstrauen gegenüber. Während die einen den schmutzigen Fabriken am liebsten den Garaus gemacht hätten, warnten die anderen in regelmäßigen Abständen vor dem Untergang des Abendlandes, sollte Europa ernsthaft Klimaschutz betreiben. Auch heute sind die Konzernchefs von Österreichs größten Produktionsbetrieben wieder in Sorge um den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Doch ihr Klagen unterscheidet sich deutlich von dem früherer Jahre: Heute sind es die Unternehmen selbst, die auf einen Umstieg zur emissionsfreien Produktion drängen und dafür Unterstützung einfordern. Bisher mit wenig Erfolg. Die Industrie bleibt der große blinde Fleck der heimischen Klimapolitik. Und das könnte sich rächen.

Nicht, dass die Republik in Sachen Klimaschutz untätig wäre: Es werden Ökostromkraftwerke gebaut, das Ende der Öl- und Gasheizungen vorbereitet, Bahnfahren künstlich verbilligt, Radfahren beworben und dem Verbrennungsmotor der Kampf angesagt. Alles schön und gut, aber warum kümmert sich niemand so richtig um die Emissionen der Industriebetriebe? Lohnen würde sich der Aufwand allemal: In Österreich stoßen produzierende Unternehmen in etwa so viel klimaschädliche Treibhausgase aus wie der ganze Verkehrssektor. Jetzt ist es nicht so, dass die Unternehmen untätig gewesen wären. Seit 2005 müssen sie im Rahmen des Europäischen Emissionshandels (ETS) Zertifikate für jede emittierte Tonne CO2 bezahlen. Der Druck, sauberer zu werden, ist also da.

Der Haken ist vielmehr, dass der Emissionshandel das angestrebte Ziel nicht gänzlich erreicht, ja gar nicht erreichen kann. Denn es gibt eine ganze Reihe an Branchen, die mit herkömmlichen Mitteln nicht CO2-frei werden können. Wird etwa Stahl oder Zement hergestellt, fällt im Produktionsprozess automatisch Kohlendioxid an. Auch Kalk-, Feuerfest-, und Ziegelproduzenten sind rein prozessbedingt durch die Dekarbonisierung besonders gefordert. Geht es nach Stefan Schleicher, Klimaökonom an der Uni Graz, sollte Österreich seine Klimastrategie aus „Standortsicherungsgründen“ in erster Linie auf diese Unternehmen ausrichten. Der Hebel ist enorm, der Anteil dieser industriellen „Härtefälle“ in Österreich ist doppelt so hoch wie im EU-Schnitt.

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