Literatur

Eine ganz normale Kindheit in Belfast

Anna Burns erhielt 2018 für „Milchmann“ den Man Booker Prize.
Anna Burns erhielt 2018 für „Milchmann“ den Man Booker Prize. Getty Images
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In ihrem Roman „Amelia“ lässt Anna Burns das Grauen des Nordirlandkonflikts in einer Coming-of-Age-Story irrwitzige Gestalt annehmen – surreale Elemente inklusive.

Die Unruhen begannen an einem Donnerstag. Um sechs Uhr abends. So jedenfalls erinnerte sich Amelia daran.“ Diese Unruhen sollten gut 30 Jahre anhalten und das Leben von Amelia, 1969 sieben Jahre alt, entscheidend prägen. Es sind die „Troubles“, die ihren Anfang nehmen, und Amelia lebt mittendrin: im katholischen Teil von Belfast. Die Fenster werden von innen mit Brettern vernagelt, Mutter und Tante kauern je an einer Eingangstür des Hauses. Da explodieren die ersten Bomben. „Komm, wir raten, was in die Luft geflogen ist, Lizzie“, flüstert Amelia ihrer älteren Schwester zu. In dieser Tonart geht es auf knapp 400 Seiten weiter: Kinder, die mit Wurfgeschossen spielen, Bomben basteln und Rachegedanken hegen – eine Kindheit in einer Atmosphäre voller Hass und Gewalt.

Die Nordirin Anna Burns hat in 19 Kapiteln eine Coming-of-Age-Story verfasst, in der Kinder gar nicht selbst eine Seite wählen müssen, diese stand schon bei ihrer Geburt fest; entscheiden müssen sie nur, ob sie auch zu Waffen greifen. „Amelia“ ist ein sehr dichtes Buch; in fast jedem Satz schwingt mehr mit, als er auszusagen scheint. Das alltägliche Grauen des Bürger- oder Glaubenskriegs ist einmal offensichtlich, dann wieder nur latent spürbar. Belfasts Kinder und Jugendliche müssen sich mit den typischen Problemen des Erwachsenwerdens herumschlagen, da fallen die ausgebrannten Autos oder zerfetzten Leichen am Straßenrand gar nicht auf; sie kennen es nicht anders. Die Auswirkungen, die zeigen sich erst später.

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