Interview

„Unsere Betriebe sind innovativ und flexibel“

(c) NADINE STUDENY
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Trotz großer Herausforderungen sieht PwC-Partner Rudolf Krickl Österreichs Betriebe gut aufgestellt.

„Die Presse“: Die Weltwirtschaft hat sich noch nicht von der Coronapandemie erholt, so haben sich die globalen Verwerfungen wie Rohstoffsituation und Lieferketten durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nochmals verschärft. Wie lang wird das gehen?

Rudolf Krickl: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bringt unfassbares Leid über die Menschen vor Ort und auf der Flucht und muss schnellstmöglich beendet werden. Das ist das, was mich menschlich am meisten berührt. Dass Unternehmen branchenübergreifend von einem starken Preisanstieg bei Energie und Rohstoffen und Verzögerungen in der Lieferkette betroffen sind, ist meine zweite Sorge. Gewisse Rohstoffe wie Weizen oder Gas werden in diesem Krieg instrumentalisiert und Lieferketten dadurch nachhaltiger unterbrochen als etwa während der Covid-Krise. Derzeit lässt sich nur schwer eine Prognose abgeben, wann sich die Situation wieder stabilisieren wird. Österreich und die Kernländer der EU bzw. des EWR werden die Krise gemeinsam gut bewältigen. Das wirtschaftliche Gefälle zwischen ihnen und den übrigen EU-Staaten muss aber gut gemanagt werden.


Wie stark ist die österreichische Wirtschaft von den Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs betroffen – und wie stark wird dies das Wirtschaftswachstum bremsen?

Sanktionen und politische Reaktionen auf den Krieg schwächen die sukzessive wirtschaftliche Erholung nach zwei Pandemiejahren deutlich. Eine aktuelle Analyse unserer PwC-Strategieberatung Strategy& zeigt: Im Falle anhaltender kriegerischer Auseinandersetzungen in der Ukraine könnte sich das österreichische BIP-Wachstum für 2022 von Anfang des Jahres prognostizierten 4,2 auf 2,3 Prozent verringern. Zusätzlich ist eine Stagflation, also eine Kombination aus stagnierendem Wirtschaftswachstum und Inflation, in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich.


Das schlechteste Szenario wäre, dass Russland seine Gaslieferungen stoppt. Stünde Österreich dann vor der Rezession?

Österreich ist derzeit zu rund 80 Prozent von russischem Erdgas abhängig, eine sofortige Umstellung auf andere Energieträger ist daher nicht möglich. Würden die Gaslieferungen gestoppt, so müsste die Industrie vermutlich Teile der Produktion drosseln und teilweise stilllegen. Das würde zu einer wirtschaftlichen Rezession und einem Absinken der österreichischen Wirtschaftsleistung führen. Den Endkundenverbrauch zu drosseln, wäre der letzte Schritt und daher sehr unwahrscheinlich. Diese Prognosen sind abhängig von der weiteren Entwicklung der Geschehnisse. Andererseits beschleunigt die aktuelle Diskussion auch die Dekarbonisierung, da Unternehmen wie Verbraucher stärker nach Alternativen suchen.


Sieht man die Leading Companies an, zeigt sich, dass sich viele in der herausfordernden Coronazeit gut geschlagen haben. Wie fit sind die Top-Betriebe, um auch die Energie- und Rohstoffkrise zu meistern?

Unternehmen müssen auf mehreren Ebenen, schnell und mitunter sehr individuell handeln. Es gibt einige Faktoren, die die unternehmerische Widerstandsfähigkeit stärken. Zentral ist eine solide Eigenkapitalausstattung mit Liquiditätsreserven, schnellen Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Finanzkraft und einem umfassenden Überblick, wie es um die Finanzen steht. Lieferketten müssen schnell an neue Gegebenheiten angepasst sowie sicherer, nachhaltiger und transparenter gestaltet werden können. Wichtig ist ein genaues Monitoring, wie sich Sanktionen und geopolitische Veränderungen auf das eigene Geschäftsmodell auswirken. Möglicherweise gilt es, Investitionsentscheidungen zu überdenken, auch M&A-Aktivitäten werden in Krisenzeiten wichtiger. Generell gilt: Wer sich bereits vor einer Krise aktiv mit der Unternehmensstrategie beschäftigt, kann diese im Notfall rasch abrufen und flexibel anpassen. Es gilt, die richtigen Handlungsfelder frühzeitig zu erkennen und Veränderung in Gang zu setzen. Unsere heimischen Betriebe haben bereits in der Pandemie gezeigt, wie innovativ und flexibel sie agieren können. Ich sehe sie daher auch für diese Krise gut aufgestellt.

Zur Person

Rudolf Krickl ist Partner bei PwC Österreich und Steuerexperte mit mehr als 25 Jahren Erfahrung im nationalen und internationalen Umfeld. Seit 2016 koordiniert er als Markets Leader alle Vertriebs- und Marktaktivitäten. Ab 1. Juli 2022 wird er als Territory Senior Partner die Leitung der Geschäftsführung von PwC Österreich übernehmen.


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