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Die verbotene Insel New Yorks

Kaum denkbar, dass gegenüber das Leben tobt: North Brother Island liegt mitten in NewYork – im East River.
Kaum denkbar, dass gegenüber das Leben tobt: North Brother Island liegt mitten in NewYork – im East River.Wikimedia Commons
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Als Quarantänepatienten im Jahr 1904 Hunderte gestrandete Menschen retteten.

New Yorker sprechen ungern über diese verbotene Insel, die 5,3 Hektar große North Brother Island im East River.

Trotz ihrer pittoresken Lage zwischen der Bronx und Queens ist sie fast unbekannt. Meine Chancen auf einen Besuch stehen nicht hoch. Aufgrund des absoluten Betretungsverbots hat sich die Natur die ausgestorbene Insel zurückgeholt. Die unbewirtschafteten Gebäude sind wild überwuchert, auf ihren Böden wächst Moos. Die letzten Einwohner, nach dem Krieg, waren Drogenabhängige, die hier durch Entzug „geheilt“ werden sollten – eine North-Brother-Island-Geschichte, die auf ihre Aufarbeitung wartet.

Die Insel, 1614 von den Holländern in Besitz genommen, war lang abgeschottet durch die gefährlichen Strömungen und Strudel an einer Engstelle im Fluss. Das Hauptbauwerk: das Riverside Hospital, ursprünglich für Quarantänepatienten mit Typhus, Lepra oder Tuberkulose.

Die berühmteste Patientin oder Insassin war „Typhus-Mary“, Mary Mallon (1869– 1938), die als Köchin 50 bis 100 Menschen mit Typhus ansteckte und sich lebenslang unschuldig und gesund fühlte, da die Krankheit bei ihr nicht ausbrach. Die Frau vertraute ihrem Apotheker, der bei ihr „keine Bakterien“ diagnostiziert hatte. Sie lebte in einem Alptraum, da sie von Behörden immer wieder verhaftet und von der Ärzteschaft jahrelang in Quarantäne gehalten wurde, die letzten 23 Jahre ihres Lebens durchgehend.

North Brothers größte Katastrophe ereignete sich 1904, als der Raddampfer General Slocum der Knickerbocker Steamship Company ausbrannte und sank – 1021 Todesopfer, viele Nichtschwimmer, mitgerissen von den Strömungen, andere verstümmelt von den Antriebsschaufeln. Die morschen Schwimmwesten und Rettungsboote funktionierten nicht. Der Dampfer strandete auf der Insel. Klinikangestellte und Quarantänepatienten leisteten Erste Hilfe, 400 Menschen überlebten. Viele der Passagiere, vorwiegend Frauen und Kinder, stammten aus der deutschen Gemeinde der Lower Eastside. Mit dem Untergang der General Slocum ging auch das New Yorker Viertel Kleindeutschland zugrunde.

("Die Presse Schaufenster" vom 13.05.2022)

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