Der ökonomische Blick

Das Öl-Embargo als Chance für die Klimapolitik

via REUTERS
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Das Embargo gegen russisches Öl sollte als Anstoß genutzt werden, uns um den Klimaschutz zu kümmern.

Der Krieg in der Ukraine macht deutlich, in welch starkem Ausmaß wir noch immer von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Die Geldbörsen der EU-BürgerInnen leiden unter den steigenden Energie- und Kraftstoffpreisen, ebenso die Bilanzen der EU-Unternehmen. In den letzten Wochen haben die EU-Mitgliedstaaten über ein Embargo gegen russisches Öl diskutiert und es hat sich als äußerst schwierig erwiesen, als geeinter EU-Block aufzutreten. Schließlich einigte man sich am 30. Mai 2022 auf ein Embargo für von Tankschiffen geliefertes russisches Öl.

Dies betrifft sofort 2/3 der Ölimporte aus Russland. Zusammen mit der Verpflichtung Polens und Deutschlands, die Einfuhr von Pipeline-Öl bis Ende des Jahres einzustellen, werden bis Ende 2022 insgesamt etwa 90 % der Ölimporte aus Russland verboten sein. Man beachte hierbei, dass es sich nicht um einen Stopp ALLER Öleinfuhren handelt, sondern nur um (einen Teil) der Öleinfuhren aus Russland. Und dennoch war es politisch sehr schwierig umzusetzen.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Ein wichtiger Punkt in dieser Diskussion betrifft die Kosten, die ein Embargo gegen russisches Öl für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten haben könnte. Bei einer solchen Schätzung werden in der Regel die derzeitige Nachfrage nach Öl und Gas, die derzeitige Wirtschaftsstruktur und die derzeitige Kohlenstoffintensität in den verschiedenen Wirtschaftssektoren zugrunde gelegt, wobei davon ausgegangen wird, dass diese Faktoren auch in Zukunft gleich bleiben. Unter diesen Voraussetzungen wird ein Ölembargo für die EU und Österreich langfristig einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 % bedeuten. Für Russland wird mit einem wesentlich stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,2 % gerechnet.

Die geschätzten Auswirkungen des Ölembargos für die EU könnten sogar noch geringer ausfallen, wenn wir die Verpflichtungen zur Dekarbonisierung berücksichtigen, die mit dem EU Green Deal verbunden sind. Darin haben wir uns verpflichtet, in weniger als 30 Jahren eine kohlenstoffneutrale EU („keine Nettoemissionen von Treibhausgasen“) zu erreichen. Dieses vereinbarte politische Ziel setzt voraus, dass wir (viel!) weniger abhängig von Öl aus JEDER Quelle (auch aus Russland) sind.

Eine schnellere Dekarbonisierung: besseres Klima, bessere Menschenrechte

Angesichts der Tatsache, dass wir unsere Volkswirtschaften unabhängig vom Ukraine-Krieg und den Spannungen mit Russland dekarbonisieren müssen, warum sollten wir diesen Wandel nicht jetzt vollziehen? Wenn wir jetzt entschlossen handeln, würde das Ölembargo die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten nicht so stark beeinträchtigen. Wenn wir unsere Volkswirtschaften jetzt dekarbonisieren, kann die EU nicht nur ihre Klimaverpflichtungen erfüllen, sondern auch ihren Teil dazu beitragen, dass Russland den Krieg in der Ukraine nicht weiter fortsetzt.  

Eine interessante Strategie besteht also darin, sich jetzt auf Klimamaßnahmen vorzubereiten und sich jetzt auf das russische Ölembargo vorzubereiten. Und das gleichzeitig. Die EU scheint das auch so zu sehen, denn in einer Presseerklärung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu den Vorschlägen der Kommission zu REPowerEU, den Investitionslücken im Verteidigungsbereich und zur Hilfe und Wiederaufbau der Ukraine spricht sie davon, die russischen fossilen Brennstoffe durch Arbeit auf drei Ebenen zu ersetzen. Erstens: Energiesparen, was einfach klingt (und einfach ist!) und sehr effektiv ist. Zweitens, die Diversifizierung weg von Russlands fossilen Brennstoffen. Und drittens, und dies ist laut Frau von der Leyen am wichtigsten, die Beschleunigung des Übergangs zu sauberer Energie durch „massive Investitionen in erneuerbare Energien“.

Vereinfacht gesagt: Die Vorbereitung auf den Klimaschutz und das Ölembargo umfasst einige Veränderungen, die wir alle durch eine Änderung unseres Lebensstils schnell vornehmen können. Und zur Vorbereitung gehören auch einige Entscheidungen, die sich nicht so schnell treffen lassen, die wir aber nicht mehr lange aufschieben können: die Einführung grüner Technologien. Die alte Vorstellung, dass grüne Technologien „teuer und anstrengend“ sind, ist überholt.

Aber wie kann eine gutwillige, klima-/umweltbewusste  BürgerIn oder GeschäftsführerIn herausfinden, welche grünen Technologien am besten geeignet sind? Und wie kann man diese zu Hause oder am Arbeitsplatz einsetzen? Die Verhaltensforschung zeigt uns, dass die Beseitigung von Handlungshindernissen, einschließlich Informationslücken, der Abbau von Bürokratie und die Bevorzugung von sogenannten default Optionen, große Auswirkungen haben können. Lassen Sie uns diese Lehren aus der Verhaltensforschung in die Tat umsetzen und die Einführung grüner Technologien auch durch Bottom-up-Strategien erleichtern. Dies wird zu einer stärkeren Wirkung und zu geringeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten für EU-BürgerInnen und Unternehmen bei der Bewältigung des grünen Übergangs beitragen.

Die Autorin

Esther Blanco ist Universitätsprofessorin für Volkswirtschaft insbesondere Nachhaltigkeit an der Universität Innsbruck und assoziiertes Fakultätsmitglied des Ostrom Workshop, Indiana University (USA). Sie ist stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, Coordinating Lead Author des APCC Assessment Reports zum Klimawandel in Österreich und Teilprojektleiterin des SFB F63 "Vertrauensgüter, Anreize und Verhalten."

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