EZB

Ende der negativen Zinsen in Sicht

Eine erste Anhebung der Leitzinsen im Juli gilt als fix. Die Frage ist nun, in welchem Ausmaß die Zinsen steigen werden.

Wien. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird Experten zufolge nächste Woche den Boden für die erste Zinsanhebung seit elf Jahren bereiten. Als wichtige Voraussetzung dafür dürfte auf der auswärtigen EZB-Sitzung in Amsterdam am Donnerstag das Aus für das milliardenschwere Anleihen-Ankaufprogramm APP besiegelt werden. Dies gilt als Vorstufe der Zinserhöhung, die dann im Juli folgen dürfte.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat signalisiert, dass negative Zinsen bis Ende September Geschichte sein werden. „Eine erste Zinserhöhung im Juli ist nun fast eine ausgemachte Sache, wobei sich die eigentliche Frage auf das Ausmaß der Zinsanhebung konzentriert“, meint Matthew Ryan, Analyst beim Finanzdienstleister Ebury.

Die Französin an der Spitze der EZB will die Anleihenkäufe zum Beginn des dritten Quartals eingestellt sehen: „Ob es nun genau der 30. Juni oder einige Tage später sein wird, ist letztlich irrelevant. Relevant ist nur, dass sie beendet werden und der Weg für eine Zinserhöhung in der Juli-Sitzung frei ist“, meint Commerzbank-Experte Michael Schubert. Das APP-Programm, mit dem den Finanzmärkten auch nach Auslaufen des großen Pandemie-Notprogramms PEPP Liquidität zugeführt wurde, ist bereits erheblich eingedampft worden – auf ein Ankaufvolumen von nur noch 20 Mrd. Euro monatlich.

Einige Währungshüter im EZB-Rat scharren mit Blick auf die erste Zinserhöhung bereits mit den Hufen: „Wir werden diesen Schritt im Juli gehen. Die Zeit des Wartens und Zögerns ist vorbei“, sagt etwa der slowakische Notenbank-Chef Peter Kazimir. Die EZB steht angesichts einer auf das Rekordhoch von 8,1 Prozent gestiegenen Inflation unter Zugzwang. In der Juni-Sitzung müsse ein deutliches Signal kommen, wohin die Reise gehe, fordert Bundesbank-Chef Joachim Nagel. Einer ersten Zinsanhebung im Juli sollten weitere in der zweiten Jahreshälfte folgen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks hat die US-Notenbank die Zinswende bereits im März vollzogen. Anfang Mai unternahm die Federal Reserve sogar den größten Zinsschritt seit 22 Jahren und hob den Leitzins um einen halben Punkt auf die neue Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent an. Für die nächsten Sitzungen wurden Erhöhungen im selben Umfang angedeutet.

Prognosen im Fokus

„Die EZB ist sich bewusst, dass sie angesichts der aktuell sehr hohen Inflationsraten die Zinswende einleiten muss“, erläutert Commerzbank-Experte Schubert. Sonst verliere man die Kontrolle über die Inflationserwartungen. Viele Volkswirte gehen von einer ganzen Serie von Schritten aus. „Wir erwarten, dass die EZB die Netto-Anleihenkäufe im Juni beendet und die Zinsen im Juli, September und Dezember sowie auch im März 2023 um 25 Basispunkte erhöht“, schreiben Experten der Citigroup.

Die zur Zinssitzung am Donnerstag vorliegenden neuen Prognosen der EZB-Ökonomen könnten weitere Argumente für eine Zinswende liefern. Nach Einschätzung von Ulrike Kastens, Europa-Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS, dürften diese ein schwächeres Wachstum und einen deutlichen Anstieg der Inflationsraten anzeigen. In ihren Prognosen vom März hatten die EZB-Volkswirte die Inflation heuer noch bei 5,1 Prozent gesehen, für 2023 wurden 2,1 Prozent veranschlagt. Aus Sicht von Frederik Ducrozet, Chefkonjunkturanalyst beim Schweizer Vermögensverwalter Pictet, steht die Inflationsprognose für 2024 besonders im Fokus. (APA/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.