ÖVP

Das Doppelleben der schwarzen Bünde

Über Staatssekretärin Claudia Plakolm (r.) hat die Junge ÖVP nach wie vor einen direkten Zugang zum Bundeskanzler.
Über Staatssekretärin Claudia Plakolm (r.) hat die Junge ÖVP nach wie vor einen direkten Zugang zum Bundeskanzler.(c) Der Plankenauer
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Machtbewusstsein auf der einen, fragwürdige Methoden zur Geldbeschaffung auf der anderen Seite: Wie der Vorarlberger Wirtschaftsbund und der Oberösterreichische Seniorenbund die ÖVP noch tiefer in die Krise gestürzt haben.

„Es reicht.“ Claus Raidl, einst wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und später Präsident der Nationalbank, zitierte diese Woche Wilhelm Molterer, um der ÖVP die Leviten zu lesen. Molterer habe im Sommer 2008 die Große Koalition aufgekündigt, weil er der Meinung gewesen sei, dass die SPÖ „orientierungs- und führerlos“ sei, schrieb Raidl in einem Gastkommentar für den „Kurier“. Er fürchte, dass Mitglieder und Wähler derzeit „genau so über die ÖVP denken, weil nach den jüngsten Vorkommnissen in Bezug auf Geldbeschaffung jedes Vertrauen, eine korruptionsfreie Partei zu unterstützen, verloren gegangen ist“.

Beispielhaft führte Raidl den Wirtschaftsbund in Vorarlberg und „Umgehungskonstruktionen bei einigen Seniorenbünden“ an – allen voran dem oberösterreichischen, der zwei Millionen Euro Coronahilfen aus dem Topf für Non-Profit-Organisationen (NPO-Fonds) bekommen hat, obwohl Parteien und ihre Vorfeldorganisationen eigentlich davon ausgeschlossen sind.

Dem öffentlichen Druck, das Geld zurückzuzahlen, hielt der Seniorenbund – mit Rückendeckung der Bundes-ÖVP – bisher stand. Als Argument wird die Doppelstruktur ins Treffen geführt: Man sei schließlich nicht nur Teilorganisation einer Partei, sondern auch ein Verein, der Reisen und Veranstaltungen für seine Mitglieder organisiere. Neben Oberösterreich bekamen auch die Filialen in Tirol, Vorarlberg, Kärnten und Wien Geld aus dem NPO-Topf, wenn auch deutlich weniger.

„Für wie dumm halten uns diese Herren?“, ärgerte sich Claus Raidl. „Ist der Wähler nur mehr der ,nützliche Idiot‘, der dafür missbraucht wird, dass sich die Parteien ihre Taschen füllen?“ Immerhin habe dieser „Schattenverein“ dieselben Funktionäre, dieselbe Adresse und dieselbe Telefonnummer wie der ,echte‘ Seniorenbund“.

In Vorarlberg wiederum hat der Wirtschaftsbund Inseratenerlöse und Zuwendungen an die Landes-ÖVP nicht ordnungsgemäß versteuert. So wurde auch der Landeshauptmann in den Skandal hineingezogen: Im U-Ausschuss diese Woche in Wien bestritt Markus Wallner, dass er Unternehmern Amtshilfe in Aussicht gestellt hat, wenn sie im Gegenzug in der Wirtschaftsbund-Zeitung inserieren: „Das entspricht nicht meinem Stil.“

Man wusste ja immer, dass die ÖVP-Bünde ein Eigenleben haben. Aber manche führten offenbar auch ein Doppelleben. Zwischenzeitlich, unter Sebastian Kurz, waren die Bünde weitgehend abgemeldet – mit Ausnahme der Jungen ÖVP. Etliche Weggefährten von Kurz, der aus der JVP gekommen war, machten in seiner Kanzlerschaft Karriere in der Volkspartei. Mit Karl Nehammer kam dann die alte ÖVP zurück. In der posttürkisen Ära sind Landesparteien und Bünde so einflussreich wie eh und je, allen voran der Arbeitnehmerbund ÖAAB, der neben dem Nationalratspräsidenten (Wolfgang Sobotka) und dem Klubobmann (August Wöginger) nun auch den Kanzler stellt.

Der Bauernbund, der seit Josef Pröll keinen ÖVP-Chef mehr hervorgebracht hat, gibt sich weitgehend mit der Kontrolle der Landwirtschaftspolitik zufrieden, wo er nach wie vor das letzte Wort hat – Erbpacht auf das Landwirtschaftsministerium inklusive. Nach dem Rücktritt von Elisabeth Köstinger im Mai übernahm Norbert Totschnig, bis dahin Direktor des Bauernbundes.

Die Junge ÖVP hat über ihre Obfrau, Staatssekretärin Claudia Plakolm, den direkten Draht ins Kanzleramt behalten, während das Finanzministerium unter Nehammer an Magnus Brunner, einen Vorarlberger Wirtschaftsbündler, ging. Auch Brunner musste diese Woche vor dem U-Ausschuss antreten, beteuerte aber, nichts von fragwürdigen Inseratengeschäften gewusst zu haben.

Der Wirtschaftsbund hat in der ÖVP schon bessere Zeiten erlebt, etwa unter Reinhold Mitterlehner, nach den jüngsten Enthüllungen intern aber weiter Kredit eingebüßt. Wie auch der Seniorenbund. Auf dem Spiel steht nämlich die Reputation der gesamten Volkspartei. Claus Raidl formulierte es so: Wie sich nun zeige, habe auch die „gute, alte, schwarze“ ÖVP „jedes Gefühl für Anstand und für die Einhaltung von Compliance-Regeln verloren“.

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