Nach den Pandemiejahren und dem verlorenen Krieg um Bergkarabach leidet Armenien unter den Folgen des Ukraine-Krieges. Gespräche der Regierung mit der Türkei und Aserbaidschan kommen nicht überall gut an – und Russland bleibt allgegenwärtig.
Der alte Stadtteil Kanaker-Zeytun, im Nordosten Jerewans, hat sich in jenen trägen Zustand begeben, den die brütende Mittagssonne immer mit sich bringt. Einst haben Armenier aus dem Nahen Osten hier ihre ebenerdigen Steinhäuser gebaut, heute ranken sich Weinblätter auf geraden und schiefen Stangen in den kleinen Vorgärten. Das blassgrüne Tor zu einem der Häuser steht halb offen, im Garten trägt ein dürrer Baum tapfer eine Kinderschaukel. Milena im weißen T-Shirt und den pinken Hausschuhen sagt, dass ihre Kinder heute lang im Kindergarten seien. Es sei Tag des Kindes, die Aufregung seit Tagen groß.
Seit fast zwei Jahren lebt sie mit ihrem Mann Davit und den beiden Kleinen hier, auf dem nördlichen Hügel Jerewans. Wenn das Paar von seiner Flucht aus Bergkarabach erzählt, dann immer mit exakter Angabe des Datums, wohl auch, um selbst das schmerzvolle Chaos der Kriegstage irgendwie einordnen zu können. „Am 27. September haben wir die Explosionen gehört, sie sind sehr nah gewesen“, sagt Davit, der eben seine Zigarettenpause beendet und auf dem Diwan Platz genommen hat. „Und am 30. September haben wir die Drohnen gehört.“