Flüchtlinge

Extreme Asylzahlen sorgen für Koalitionsstreit

Laura Sachslehner
Laura Sachslehner Caio Kauffmann
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ÖVP und Grüne prallen einmal mehr in puncto Migrationspolitik aufeinander: Gleich mehrere Grüne rückten gegen die türkise Generalsekretärin aus, nachdem diese ihren Unmut über hohe Asylzahlen kundgetan hatte.

Wien. Schon 2021 war aus österreichischer Sicht ein extrem starkes Fluchtjahr: Mehr als 40.000 Asylanträge wurden gestellt, in Relation zu den Einwohnern bedeutet das Platz zwei in der EU – und die Zahlen steigen weiter enorm. Denn in den ersten vier Monaten 2022 wurden 138 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahrs gestellt. 16.000 Asylanträge im ersten Jahresdrittel bedeuten eine größere Zahl als im ganzen Jahr 2020. Im April 2022 betrug das Plus sogar 214 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und bei all diesen Zahlen sind die laut Melderegister derzeit mehr als 70.000 Ukrainer noch gar nicht mitgezählt, sie tauchen in der Asylstatistik des Innenministeriums nämlich als Vertriebene nicht auf. Fast zwei Drittel der Asylanträge wurden von Syrern, Afghanen, Tunesiern und Türken gestellt.

Diese Entwicklung sorgt nun wenig überraschend in der türkis-grünen Koalition, in der das Thema Migrationspolitik ohnehin heikel und einst gar Anlass für die Konstruktion eines „koalitionsfreien Raums“ gewesen ist, einmal mehr für heftige Auseinandersetzungen. Laura Sachslehner, Generalsekretärin der ÖVP, schrieb am Sonntag auf Twitter: „Insgesamt 16.000 Asylansuchen wurden heuer bereits gestellt. Die allermeisten Asylwerber stammen aus Afghanistan und Syrien. Damit leidet Österreich an der pro Kopf zweithöchsten Belastung durch Asylanträge in der EU.“ Dies sei „ein Warnsignal, dass wir wachsam sein müssen“. Es sei zu unterscheiden „zwischen den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine und allen anderen Migranten, die meist aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich wollen“. Die Grünen rückten prompt – und in größerer Zahl – gegen Sachslehner aus: „Beschämend“ sei diese Aussage, richtete etwa die grüne Vizeklubchefin Meri Disoski aus. „Unser Land leidet unter Politikerinnen und Politikern, die auf dem Rücken Schutzsuchender politisches Kleingeld wechseln wollen.“ Auch andere grüne Abgeordnete konterten: „Ich leide bei so viel Menschenverachtung“, antwortete Umweltsprecher Lukas Hammer. Und Ewa Ernst-Dziedzic, die außenpolitische Sprecherin der Ökopartei, warf Sachslehner gar „offen rassistische Polemik“ vor, die ÖVP-Frau lenke auf dem Rücken der Schwächsten ab, erklärte sie.

Weniger scharf, aber ebenso deutlich meldete sich der Abgeordnete Georg Bürstmayr zu Wort: „Nein, Österreich leidet nicht“, schrieb er auf Twitter. Österreich gewähre den Leuten jenen „Schutz, der ihnen zusteht“, so Bürstmayr. „Und das ist gut so, das ist Teil des Regierungsprogramms, und das wird so bleiben.“ (kk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2022)

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