Lenker festgenommen

Eine Tote und mehrere Verletzte bei "Amoktat" in Berlin

Polizei und Feuerwehr waren im Einsatz und versorgten die Verletzten. Die Umgebung war weiträumig abgesperrt.
Polizei und Feuerwehr waren im Einsatz und versorgten die Verletzten. Die Umgebung war weiträumig abgesperrt. APA/AFP/ODD ANDERSEN
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In Berlin-Charlottenburg ist ein Auto in eine Menschenmenge gerast. Eine Person wurde dabei getötet, es gibt mehrere Verletzte. Der 29-jährige Fahrer wurde festgenommen.

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger hat die Todesfahrt eines 29-Jährigen in der Hauptstadt am Mittwoch als "Amoktat" bezeichnet. "Nach neuesten Informationen stellt sich das heutige Geschehen in der Tauentzienstraße als eine Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen dar", erklärte Spranger am Abend im Online-Dienst Twitter. Bei dem Vorfall am Mittwochvormittag waren eine Frau getötet und 14 weitere Menschen teils schwer verletzt worden.

Ein Autofahrer hat in der Nähe der Berliner Gedächtniskirche eine Menschengruppe erfasst und eine Lehrerin aus Hessen in den Tod gerissen. Unter den vielen Verletzten waren zahlreiche Schülerinnen und Schüler einer zehnten Klasse aus Bad Arolsen. Ein Lehrer wurde nach derzeitigem Stand schwer verletzt. Das teilte die hessische Landesregierung am Mittwoch mit.

Die Gruppe war demnach auf einer Klassenfahrt in der Hauptstadt unterwegs. Die Hintergründe waren noch nicht klar, die Trauer und Anteilnahme aus ganz Deutschland enorm. Nach dpa-Informationen aus Polizeikreisen soll der Verdächtige psychisch auffällig sein.

In dem Wagen, den ein 29 Jahre alter, in Berlin lebender Deutsch-Armenier fuhr, wurden neben Schriftstücken auch Plakate mit Aufschriften gefunden worden. "Ein richtiges Bekennerschreiben gibt es nicht", sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Zuvor hatte es aus Polizeikreisen geheißen, es sei ein Bekennerschreiben in dem Auto gefunden worden. Spranger sprach von "Plakaten", auf denen Äußerungen zur Türkei stehen würden. Die genaue Motivation des Fahrers müsse untersucht werden, die Äußerungen würden genau geprüft.Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach von einem "Tatverdächtigen", der sich nun im Krankenhaus befinde. Im Moment gebe es keine einschlägigen Erkenntnisse zu einer politischen Motivation. Von einem zufälligen Unfall war in den Stellungnahmen nicht die Rede. Die Schüler aus Hessen würden psychologisch betreut, sagte Spranger. Sie kündigte an, der Tatverdächtige werde in alle Richtungen überprüft. Der Fahrer sei in ein Krankenhaus gekommen.Bei dem Vorfall am Mittwochvormittag erlitten nach Feuerwehrangaben insgesamt sechs Menschen lebensgefährliche Verletzungen. Hinzu kämen drei Schwerverletzte und mehrere Leichtverletzte. Eine genaue Gesamtzahl der Opfer des Vorfalls am Ku'damm und der Tauentzienstraße war zunächst nicht bekannt.

Für den Abend wurde eine Gedenk-Andacht in der Gedächtnis-Kirche angekündigt, in deren Nähe sich der Vorfall ereignet hatte. Die Polizei hat eine Telefonhotline für Angehörige eingerichtet, an Ort und Stelle waren auch Seelsorgerinnen und Seelsorger im Einsatz.

Der Fahrer des Wagens war vorläufig festgenommen worden. Er sei zunächst von Passanten festgehalten worden, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz. Die Polizei prüfte, ob es sich um einen Unfall, einen medizinischen Notfall oder um eine vorsätzliche Tat handle. Der Fahrer war nach dpa-Informationen mit einem Auto unterwegs, das seiner älteren Schwester gehört. Er soll der Polizei bereits wegen mehrerer Delikte bekannt gewesen sein, allerdings nicht in Zusammenhang mit Extremismus.

Ku'damm: Mit Kleinwagen über Gehsteig

Der Vorfall am Mittwoch spielte sich nach bisherigem Stand so ab: Der Mann fuhr den Renault-Kleinwagen am späten Vormittag an der Straßenecke Ku'damm und Rankestraße auf den Bürgersteig des Ku'damms und in die Menschengruppe. Dann fuhr er auf die Kreuzung und knapp 200 Meter weiter auf der Tauentzienstraße Richtung Osten. Kurz vor der Ecke Marburger Straße lenkte er den Wagen erneut von der Straße auf den Bürgersteig, touchierte ein anderes Auto, überquerte die Marburger Straße und landete im Schaufenster eines Parfümerie-Geschäfts.

Die Bundesregierung, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigten sich bestürzt über das Geschehene. "Meine Gedanken sind bei den schwer und sehr schwer Verletzten, bei dem Todesopfer", erklärte Steinmeier. "Und sie sind bei denen, die Schreckliches erleben mussten. Mein tiefes Mitgefühl gilt ihnen, allen Angehörigen und Hinterbliebenen." Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte den Betroffenen Unterstützung zu.

Am Mittwochvormittag war die Polizei nach eigenen Angaben mit circa 130 Kräften im Einsatz, mit einem Hubschrauber verschafften sich die Beamten einen Überblick aus der Luft. Die Feuerwehr war mit 100 Kräften vor Ort. Das Areal war großflächig abgesperrt. Die Polizei rief die Menschen dazu auf, keine Bilder vom tödlichen Vorfall an der Einkaufsstraße im Internet zu posten.

Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) sagte: "Wir haben umgehend Notfallbetreuungsteams nach Bad Arolsen geschickt, um den Angehörigen, Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrkräften beizustehen." Ein Team aus der Schule sei auf dem Weg nach Berlin, um den Jugendlichen vor Ort sowie ihren Eltern zur Seite zu stehen.

Der Unfallort befindet sich unweit der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg. Dort war im Dezember 2016 ein islamistischer Attentäter in einen Weihnachtsmarkt gefahren. Dabei und an den Spätfolgen starben insgesamt 13 Menschen, mehr als 70 wurden verletzt.

Die Gegend, in der sich der tödliche Vorfall am Mittwoch ereignete, ist wegen der vielen Geschäfte, Cafés und Sehenswürdigkeiten oft sehr belebt. Sie ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus dem In- und Ausland.

Der Fall weckte in Berlin auch Erinnerung an eine Amokfahrt auf der Stadtautobahn A100 im August 2020, als ein Autofahrer gezielt drei Motorradfahrer rammte. Er wurde vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen.

(APA/dpa/Reuters/Red.)

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