ALC-Forum

Wo sind die Fachkräfte?

(c) Günther Peroutka
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Österreichs Betriebe werden den Fachkräftemangel noch lang spüren. Dabei gibt es ein paar politische Maßnahmen, die helfen würden.

Der Fachkräftemangel war vor Corona schon ein Problem für Österreichs Unternehmen, und er wird es auch nach der Pandemie bleiben. Betriebe sollten sich darauf einstellen, dass der Mangel an geeignetem Personal noch zehn bis 15 Jahre ein Thema bleiben wird, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Dienstag im Rahmen des ALC-Wirtschaftsforums. Und der Wettbewerb mit den europäischen Nachbarländern um Fachkräfte werde stärker werden. Wiewohl es bei älteren Menschen, Frauen in Teilzeit und ausländischen Arbeitskräften durchaus Potenzial gebe, das Arbeitsangebot zu erhöhen.

Die Frage ist: Wie bekommt man diese Menschen vermehrt in Arbeit und vor allem: Wie bekommt man sie in die Jobs, wo sie am meisten gebraucht werden? Zwei Vorschläge machte Stefan Pierer, Chef der Pierer Industrie AG. Erstens hätten ältere Menschen einen Anreiz, länger zu arbeiten, wenn ihr Einkommen nach Erreichen des Pensionsalters steuerfrei wäre. Das würde ältere Mitarbeiter – sie kosten Unternehmen im Schnitt mehr als jüngere Mitarbeiter – außerdem für Unternehmen billiger machen und ihre Chancen auf Beschäftigung erhöhen.

Frauen oft in Teilzeit

Der zweite Vorschlag Pierers: Der Staat sollte 20 Überstunden von sämtlichen Steuern befreien. Dann könnten Mitarbeiter freiwillig länger arbeiten und hätten am Ende deutlich mehr Netto vom Brutto.

Bei Frauen in Teilzeit scheitere die Mehrarbeit oft weniger am finanziellen Anreiz, sondern häufig an den Betreuungsverpflichtungen, sagte Katharina List-Nagl, Chefin der F. List GmbH. Das Betreuungssystem sei wahnsinnig schlecht ausgebaut, auf dem Land ganz besonders. Frauen mit Kindern hätten oft gar keine andere Wahl, als Teilzeit zu arbeiten. Es wäre allen geholfen, wenn Schulen, Vereine und andere Betreuungseinrichtungen Kinder bei Bedarf zumindest bis zum mittleren Nachmittag betreuen würden.

Leistungsdenken fehlt

Wobei Minister Kocher zu bedenken gab, dass es mehr in Teilzeit arbeitende Frauen gebe, die keine Betreuungspflichten haben, als solche mit Betreuungspflichten. Es sei auch ein gesellschaftliches Phänomen, dass Frauen oft eine hohe Bildung erwerben, dann aber nicht Vollzeit arbeiten.

Dort, also bei der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Arbeit, würde Wolfgang Litzlbauer ansetzen, wäre er Minister. Der Chef der Umdasch Group wünschte sich ein Comeback des Leistungsgedankens in Österreich. Es müsse sich auszahlen, wenn man sich anstrengt. Der Reichtum des Landes sei von Menschen nach dem Krieg aufgebaut worden, die bereit waren, sich anzustrengen. Heute höre man oft, Umverteilung sei das höchste Gut. Aber es brauche Leistungsgerechtigkeit.

Jedenfalls ist es auch nach den Worten Kochers so, dass es sich die Menschen in Österreich leisten können, nicht viel zu leisten. Der Minister wollte diese Diagnose nicht normativ verstanden wissen, sondern einfach als Beobachtung: Der Wohlstand erlaube es vielen Menschen, Teilzeit zu arbeiten oder die Freizeit höher zu gewichten als die Arbeit.

Motive für Teilzeitarbeit

Wer zum Beispiel in einer geerbten Wohnung wohnt, hat diese Freiheit oft. Auch wenn das gesamtgesellschaftlich bedeute, dass Arbeitskraft nicht so produktiv ist, wie sie sein könnte. Und auch wenn Teilzeitarbeit individuell bewirkt, dass etwa die Pension später deutlich geringer ausfallen wird.

Auch die Ausbildungsprioritäten lägen in Österreich falsch, bemerkten die Wirtschaftsvertreter auf dem Podium in Richtung Kocher, der akademische Weg werde besser bewertet als etwa die Lehre. Dabei verdiene der Lehrling in Summe mehr als etwa ein Absolvent in Betriebswirtschaftslehre, sagte Pierer, der von einem Akademisierungswahn sprach.

Kocher widersprach, denn der Anteil der Lehrlinge gemessen an der Größe der Kohorten sei seit Jahren konstant. Weil niedrige Geburtenraten aber tendenziell kleiner werdende Jahrgänge bedeuten, nimmt auch die absolute Zahl der Lehrlinge ab.

Vorurteile gegen Lehre

Wobei auch Kocher betonte, dass viele Menschen ein falsches Bild von Lehrberufen hätten. Die hätten sich mit der Technologie und den Anforderungen der Wirtschaft weiterentwickelt – und Eltern deshalb oft eine etwas antiquierte Vorstellung von Lehrberufen. Das wiederum beeinflusse Jugendliche, die sich vielleicht für einen Lehrberuf interessieren, aber dann von ihren Eltern entmutigt werden.

Jedenfalls gibt es, so Kocher, keine Zauberformel gegen den Fachkräftemangel, es brauche vielmehr eine Vielzahl an Maßnahmen, die das Angebot an Arbeitskraft im Land erhöhen. Der Minister brachte als Beispiel das degressive Arbeitslosengeld: Wenn das Arbeitslosengeld zuerst höher ist und dann sinkt, ist das, neben der wichtigen Unterstützung durch AMS-Maßnahmen, ein Anreiz zur Arbeitssuche.
Aber in Regionen, wo praktisch Vollbeschäftigung herrscht, wird auch ein degressives Arbeitslosengeld das Arbeitskräfteangebot nicht erhöhen. Wenn jemand in einer Region mit Vollbeschäftigung keine Arbeit hat, liegt das nämlich großteils an Faktoren wie gesundheitlichen Problemen, und weniger an fehlenden finanziellen Anreizen.

Ein Bekenntnis zur sukzessiven Anhebung des Pensionsalter gebe es vonseiten der Regierung ja, betonte Kocher außerdem mit Blick auf die von den Unternehmervertretern befürwortete Verlängerung des Erwerbslebens. Und die Rot-Weiß-Rot-Card etwa werde helfen, qualifiziertes Personal aus Drittländern nach Österreich zu lotsen.

Geld für Weiterbildung

Zwar sei der Fachkräftemangel zum Glück noch nicht so akut, dass Unternehmen einander Ablösesummen für qualifiziertes Personal zahlten, sagte Litzlbauer und spielte dabei auf die Konkurrenz von Fußballvereinen um die besten Spieler an.

Aber Handlungsbedarf sahen die Industrievertreter auf dem Podium allerhand, wobei List-Nagl sagte: „Zur Not richten es die Unternehmen selbst.“ Pierer etwa sagte, dass Millionen an das Arbeitsmarktservice „rausgeschmissenes Geld“ seien, der Staat solle den Betrieben das Geld für die Ausbildung von Mitarbeitern überweisen.

Kocher erinnerte daran, dass die Regierung während der Pandemie sehr wohl viel Geld für die Weiterbildung parallel zur Kurzarbeit im Unternehmen zur Verfügung gestellt habe, dass das von den Unternehmen selbst aber nicht so stark in Anspruch genommen wurde, wie sich das die Koalition erhofft hatte. „Ich war ein bisschen enttäuscht“, sagte der Minister und dachte laut über mögliche Gründe für das maue Interesse nach. Es sei etwa denkbar, sagte Kocher, dass Unternehmen während der Pandemie nicht wussten, wann das Geschäft wieder anzieht und wie lang sie auf Mitarbeiter verzichten können, die gerade in Weiterbildung sind.


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