AHS-Lehrerchef wirft Ministerium "Rechtsbruch"vor

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Der neue AHS-Lehrergewerkschafter Eckehard Quin will, wie er im Gespräch mit der "Presse" sagt, weiter gegen die Gesamtschulmodelle kämpfen. Das Bild des Lehrers in der Bevölkerung ist für ihn nocht immer gut.

Die Presse: Die Lehrergewerkschaft hat in Österreich ein „Blockiererimage“. Was wollen Sie tun, um das zu ändern?

Eckehard Quin: Wir werden von der Politik gern als Blockierer dargestellt, das hat rein taktische Gründe. Der Dienstgeber will bei der Reform zum Nachteil der Dienstnehmer natürlich immer der Gewerkschaft das Image des Betonierers umhängen. Taktisch ist das verständlich. Inhaltlich stimmt der Vorwurf einfach nicht. Die Gewerkschaft fordert seit Langem die sinnvolle Weiterentwicklung des heimischen Schulsystems. Natürlich gibt es Reformen, gegen die wir uns aussprechen, zum Beispiel gegen unbezahlte Mehrarbeit für Lehrer, wie das 2009 geplant war. Da können wir nur Nein sagen, und darauf bin ich auch stolz.

Auch zu einem Gesamtschulmodell hat die Gewerkschaft immer Nein gesagt. Bleibt es dabei?

Selbstverständlich. Ich bin felsenfest überzeugt, dass Kinder sehr unterschiedliche Neigungen und Begabungen haben. Und wenn man das akzeptiert, ist die Differenzierung im Schulangebot etwas Sinnvolles.

Und diese Differenzierung muss schon im Alter von zehn Jahren passieren?

Die kann noch früher passieren. Es gibt sehr erfolgreiche Staaten, die bereits im Primarbereich und im Kindergarten beginnen, unterschiedliche Neigungen zu fördern. Das geht leichter, wenn wir ein differenziertes Angebot haben. Etwa durch den Einsatz von Native Speakers im Kindergarten.

In Ihrer ersten Stellungnahme haben Sie angekündigt, sich verstärkt für bessere Lehrbedingungen einzusetzen. Sind diese derzeit so schlecht?

Konkret habe ich mich darauf bezogen, dass in der Unterstufe die Klassenschülerhöchstzahl gesetzlich auf 25 beschränkt ist, die eigentlich nur in Ausnahmefällen überschritten werden dürfte. In der Realität passiert das laufend, im vergangenen Schuljahr war mehr als die Hälfte aller Unterstufenklassen betroffen. Das ist in nahezu 100 Prozent der Fälle rechtswidrig. Dennoch verweigert das Ministerium, ausreichend Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Das ist Rechtsbruch.


Sie haben der Ministerin auch vorgeworfen, zu viel Geld für Werbung auszugeben, das man lieber in eine Imagekampagne investieren sollte. Warum ist das Lehrerimage so schlecht?

Das Image der Lehrer ist in der Bevölkerung immer noch gut. Durch das schädliche Handeln mancher Politiker kommt uns das aber langsam abhanden. Das führt dazu, dass kaum ein Jugendlicher mehr Lehrer werden will. Das ist vor allem angesichts des drohenden Lehrermangels ein Problem.


Wäre die Lehrergewerkschaft zu einer Verländerung des Schulwesens bereit?

Das ist eine Diskussion über Verpackungen. Mir ist wichtiger, was im Packerl drinnen ist. Entscheidend ist für uns, dass der Fortbestand der AHS-Langform bundeseinheitlich sichergestellt ist, dass es ein einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht gibt und dass die Ressourcenzuteilung an die Schulart gebunden bleibt. Es kann nicht sein, dass man die Finanzmittel großer Schulstandorte – und meist sind das Bundesschulen – abzieht, um im Gegenzug Kleinschulen am Leben zu erhalten.


Am 7. Dezember werden die Ergebnisse des PISA-Tests veröffentlicht, Österreich dürfte erneut schlecht abgeschnitten haben. Welche Schuld tragen die Lehrer?

Im PISA-Test 2009 stand die Lesekompetenz im Mittelpunkt. Und Lesen funktioniert ähnlich wie das Lernen eines Musikinstruments. Mit einem guten Lehrer lernt man es leichter. Ohne Üben geht es aber nicht. Beim Lesen ist es genauso. Und das Üben, das können die Lehrer nicht übernehmen.

Zur Person

Eckehard Quin (42) hat den Vorsitz der AHS-Lehrerge-werkschaft von Eva Scholik (60) übernommen, die in Pension geht. Er ist Mitglied der Fraktion Christlicher Gewerkschafter. Der Niederösterreicher studierte Geschichte und Chemie und unterrichtet am BG/BRG Perchtoldsdorf. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2010)

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