Brüssel-Briefing

Die europäischen Ankündigungsweltmeister

Ursula von der Leyen, Charles Michel
Ursula von der Leyen, Charles MichelAPA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Ob Klimaschutz oder Beistand für die Ukraine gegen Russlands Vernichtungskrieg: die Europäer sind groß im Reden - aber ganz klein im Umsetzen. Wie Zauberlehrlinge bekommen sie ihre Ankündigungen nicht in den Griff.

Eigentlich sollte man bei Jacques Poos anrufen und fragen, wie er das damals gemeint hat, 1991, mit der „Stunde Europas“. Das denke ich mir seit Monaten immer wieder, im Angesicht des Versagens der Union, dem Vernichtungskrieg Wladimir Putins gegen die Ukrainer Einhalt zu gebieten. Poos, damals Luxemburgs Außenminister, hatte eine Sekunde lang fast Weltberühmtheit erlangt, indem er den sich zusammenbrauenden Jugoslawienkrieg als Chance für die Europäer bezeichnete, sicherheitspolitische Eigenständigkeit ohne Hilfe aus Washington zu beweisen. Wir wissen, wie das ausging. Aus dem Interview mit Poos wird freilich nichts, denn er ist heuer im Februar verstorben.

De mortuis nil nisi bene. Aber die Wahrheit ist unleugbar: seine totale Fehleinschätzung des politischen Willens und der militärischen Kapazitäten der Union, in Europa selber für Frieden zu sorgen, prägt heute genauso wie damals das Reden und Denken der meisten europäischen Politiker. „Weltpolitikfähigkeit“ forderte Poos' Landsmann Jean-Claude Juncker vor vier Jahren. Ein „Ereignis, das die Geschichte katalysieren kann“, nannte Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, den Fall Kabuls vor einem Jahr. Weder das eine noch das andere hat sich realisiert. „Die EU ist geeint und wird alles tun, was sie kann, um diesen desaströsen Krieg zu einem Ende zu bringen“, tönte Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, nach dem eher unrühmlichen EU-Gipfel vor einer Woche (Stichworte: Embargo auf russisches Öl, ungarische Extrawürste). Wirklich? Geeint? Und bereit, alles zu tun?

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