BMW

Die Unschuld vom Lande

Nach bald 40 Jahren als eigenständige Automarke rückt Alpina demnächst dorthin, wo man eh immer hingehörte.

Maranello. Sant’Agata. Molsheim. Dieppe. Weißach. Crewe. Malvern. Hethel. Und Buchloe. Alles Orte, die außer den Menschen, die von dort sind, kaum jemand kennen würde, wären sie nicht untrennbar mit einer Automarke verbunden – jeweils klein und fein, aber von Weltrang.
Wer sich bei unserer Aufzählung nicht ganz sicher ist: Ferrari. Lamborghini. Bugatti. Alpine. Porsche. Bentley. Morgan. Lotus. Und eben: Alpina aus dem Örtchen Buchloe im schwäbischen Ostallgäu. Nicht zu verwechseln mit den leichtgewichtigen französischen Zweisitzern ähnlichen Namens, und ja: eigenständige Automarke. Jedenfalls galt das bis vor Kurzem, als bekannt wurde, dass BMW Ende 2024 die Markenrechte an Alpina übernimmt.

Damit hat einerseits die Eigenständigkeit des seit 1983 als Autohersteller firmierenden Unternehmens ein Ende. Andrerseits kehrt Alpina nur dorthin zurück, wo man im Grunde herkommt – als BMW, nur immer ein bisschen besser.

Begonnen hat Firmengründer Burkhard Bovensiepen als das, was er später nicht mehr sein wollte: als klassischer Tuner. Seine Idee, einem neuen BMW-Modell mit einer Nachrüstlösung zu zehn PS mehr Leistung zu verhelfen, erwies sich als zukunftsträchtig. Denn nicht nur war die Sache technisch wasserdicht und leicht anzuwenden, sie half auch BMW aus der Patsche. Denn dem BMW 1500 hatte man schon nach kurzer Zeit eine stärkere 1800er-Variante mit 90 PS nachfolgen lassen, was die Kunden des ersten Modells überrumpelt dastehen ließ. Denn die hätten die Mehrleistung auch gern gehabt. Mit Alpinas Weber-Doppelvergaser-Bausatz (statt des serienmäßigen dünnen Solex-Gerinnes) konnte man das nun ohne viel Aufhebens nachholen und bekam von BMW sogar eine Werksgarantie darauf.

»»Mit eleganten Mitteln Leistungsreserven freimachen««

Dieser Einstand in den frühen Sixties sollte das Wesen von Alpina und die Kooperation mit BMW fortan prägen: Der kleine Spezialist konnte einfach mehr rausholen aus den Komponenten, als es in der Massenproduktion eines großen Werkes möglich oder bezahlbar war. Und er ließ das Original dabei nicht dumm ausschauen: „Wir tun ja nichts anderes, als mit eleganten Mitteln die Leistungsreserven freimachen, die BMW schon vorgesehen hatte“, erklärte Bovensiepen – um Missverständnisse, bei BMW verstünde man das eigene Handwerk nicht, gleich auszuräumen. Tatsächlich entwickelten er und seine Crew eine Expertise, auf die BMW bei Bedarf gerne zurückgriff. Als es darum ging, dem E9-Coupé (ab 1968) eine schärfere Variante als Homologationsmodell für den Rennsport beizustellen, konnte Bovensiepen seine Vorstellungen eines solchen Fahrzeugs – radikaler Leichtbau, viel Leistung – nahezu komplett in die Tat umsetzen. Heraus kam der BMW 3.0 CSL (Coupé Sport Leicht), heute eine der bedeutendsten Ikonen in der Geschichte der Münchner.
Ein Missverständnis wäre es auch, Alpina für einen reinen Go-faster-Spezi zu halten. Die „eleganten Mitteln“, von denen Bovensiepen sprach, sind bis heute „viel Zeit und eine unglaubliche Liebe zum Detail“, wenn die Werkstatt etwa einen BMW-Motor zerlegt, bearbeitet und wieder zusammenbaut: „Es wird gefräst, planiert, und verrundet; ausgelitert, erleichtert und angeglichen; dann geschliffen, geglättet und hochglanzpoliert, dabei gemessen, abgewogen und abgestimmt.“ Derlei hat nicht nur Aggregate mit mehr Power, sondern auch mit mehr Drehmoment, längerer Haltbarkeit und weniger Spritverbrauch zur Folge.
„Ich bin ein Benzinspar-Freak“, ließ der Gründer in den 1970ern wissen, als das in der Tuningszene noch verdächtig klang. Bovensiepen dachte immer an eine Kundschaft, die nicht aus Racern besteht, aus denen wohl auch, aber im Grunde aus Leuten vom Typ gut verdienender Unternehmer, die sehr viel Zeit im Auto verbringen, und dies am liebsten auf der linken Spur. Die Fangemeinde reicht bis Japan, nach Deutschland und den USA der drittgrößte Markt.

(c) Juergen Skarwan

BMW, nur ein bisschen besser

Sehr gefragt ist aktuell die Alpina-Variante des 5er Touring: Feine Lederausstattung und monströser Biturbo-V8 als Understatement.

Name: BMW Alpina B5 Touring
Preis: 148.750 Euro
Motor: V8-Zylinder, 4395 ccm
Leistung: 621 PS bei 5500-6500 U/min
Gewicht: 2055 kg
0–100 km/h: 3,4 Sekunden
Vmax: 330 km/h
Verbrauch: 11,6 l/100 km nach WLTP
CO2: 263 g/km nach WLTP



Die Klientel bekam 1978 mit dem Alpina B7 Turbo das ultimative Tool für den Überholspurgebrauch – die damals schnellste Limousine der Welt. Auf Basis des BMW 5er hatte Alpina das erste Fahrzeug mit gesamtheitlichem Konzept geschaffen. Dabei hatte der Wiener Ingenieur Fritz Indra als PS-Alchemist gewirkt, mit der Premiere eines Turboladers im BMW-Reihensechszylinder. Die erzielten 300 PS erreichte der Hersteller im Serienbau erst Jahre später – mit einem Zwölfzylinder. TU-Assistent und Teilzeitjournalist Indra fand zu Alpina, als er für die Wiener „Autorevue“ aus Neugier das Unternehmen besuchte – und von Bovensiepen gleich als Talent erkannt und für die eigene Riege rekrutiert wurde. Er blieb einige Jahre, sah auch bei Alpinas Motorsporteinsätzen nach dem Rechten und wurde schließlich von Ferdinand Piëch abgeworben, um sein Turbo-Know-how bei Audi einzusetzen.

Bovensiepen ist heute 86 und hat das Geschäft weitgehend seinen Söhnen übergeben. Dass er nebenbei einen erfolgreichen Weinhandel aufgezogen hat, der Münchens erste Adressen mit den passenden Tropfen versorgt, deutet auf einen Unternehmer mit vielen Talenten hin. Bei Alpina sind fast 300 Mitarbeiter beschäftigt, und die Marke, deren Grundlage aufwendige Handarbeit ist, kommt der Nachfrage kaum hinterher. Bis 2010 wurden alle Motoren in Buchloe von Hand gebaut, seither ist die Produktion in Motorenwerke wie Steyr integriert, und Alpinas laufen, bis zum Finish in Buchloe, bei BMW vom Band. Eine Performance-Marke hat man mit M schon, so wird Alpina nach der Übernahme wohl den High-End-Ausstatter für BMW geben, ähnlich wie Maybach bei Mercedes. Nicht ganz so nouveau riche, mehr mit Understatement, wie man es immer schon gepflegt hat.

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