Documenta 15

Lasst uns reden! Aber bitte nicht über Kunst

Wohl der dominierende Documenta-Anblick: Plastiksessel. Hier ein Workshop mit Ruangrupa.
Wohl der dominierende Documenta-Anblick: Plastiksessel. Hier ein Workshop mit Ruangrupa. N. Wefers
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Die großen Kunstausstellungen, die sich heuer ballen, vereint eins: Es geht nicht mehr um Ästhetik, sondern lokalen Aktivismus.

Die 59. Biennale Venedig hat es uns schon gezeigt, die kommende 15. Documenta in Kassel wird es verschärfen: In der Kunst stehen alle Zeichen auf Umbruch. Kunst, wie wir sie vom Kunstmarkt, aus Galerien und Museen kennen, verlagert sich immer mehr ins Beiprogramm – in Venedig gerade bestens zu sehen: Die Blue-Chip-Künstler von Baselitz bis Kiefer sind mit Malerei und Skulptur in Palazzi über die Stadt verteilt, präsentiert von Galerien, fern des offiziellen Biennale-Programms. In den Länderpavillons dagegen beginnt eine neue Zeit: Noch nie waren so viele Indigene zu sehen, deren Beiträge meist enger mit ihren thematischen Anliegen verbunden sind als mit unseren kunstgeschichtlich entwickelten Qualitätsvorstellungen.

Da wird etwa eine Neupositionierung von Kunsthandwerk vorgenommen, wenn im Pavillon der Philippinen die Technik des Webens aufgewertet wird: Der Sound der Webstühle ist in Muster für meterlange Stoffbahnen übersetzt. Im Beitrag von Mexiko dient Kunsthandwerk dazu, andere Geschichten zu erzählen. Die von Mitgliedern des indigenen Stamms der Tzotzil gewebten Stoffbahnen verweisen in den Mustern auf DNA-Sequenzen, in Anspielung auf die Epigenetik: Welche Faktoren legen die Aktivität und Entwicklung eines Gens fest, wie wichtig sind andere Einflüsse? Das farbenfrohe Marionettentheater mitten im Raum entpuppt sich als Gruppe kopfloser Hüllen, die am Ende dramatisch in sich zusammensinken – in Erinnerung an die 43 entführten und ermordeten Studenten 2014 in Iguala.

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