Klimaaktivisten an Kanzler: "Sprechen Sie mit uns" - "Terminlich nicht möglich"

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AUSTRIA-ENVIRONMENT-CLIMATE-YOUTH-DEMO(c) AFP via Getty Images (JOE KLAMAR)
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In einem „Offenen Brief“ kritisieren „Fridays for future“ Bundeskanzler Karl Nehammer. Sie fordern einen persönlichen Austausch. Die Antwort des Kanzler: Das Thema sei sehr wichtig, ein Treffen sei „aus terminlichen Gründen“ nicht möglich.

Mit harten Worten kommentieren „Fridays for Future“ (fff) den Zugang von Bundekanzler Karl Nehammer (ÖVP) zur Klimapolitik. Anlässlich des „Austrian World Summit“ komme eine internationale fff-Delegation nach Wien. In dem offenen Brief wird der Kanzler aufgefordert, mit „Menschen in den Dialog zu gehen, die von der Klimakrise und vom Krieg in der Ukraine unmittelbar betroffen“ sind.

fff-Sprecherin Laila Kriechbaum hat den Offenen Brief an das Büro des Bundeskanzlers am Vormittag des Donnerstags geschickt. Seitens von fff  sollen an dem Gespräch mit Nehammer Klimaaktivistinnen aus Uganda, der Ukraine, Moldau, Polen und Österreich teilnehmen, unter anderem Vanessa Nakate.

Dem Kanzler wird vorgeworfen, dass für ihn „Klimagerechtigkeit keine Priorität“ sei, und dass er sich gegen eein Gas-Embargo stemme, obwohl „Militärexperten darauf hinweisen, dass dieser Krieg mit einem weitreichenden Energie Embargo beendet werden könnte".

„Bringen Sie den Mut auf"

Der Brief schließt mit diesen Sätzen: „Wir möchten mit Ihnen über die Ängste unserer Generation sprechen, aber ebenso über all die Lösungen, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden. Bringen Sie den Mut auf und sprechen Sie mit uns!"

Mit einer etwa 36-stündigen Verspätung reagiert das Büro des Bundeskanzlers und ließ der „Presse“ ein statement zukommen (voller Wortlaut weiter unten). Darin heißt es, dass es ein persönlichen Treffen „aus terminlichen Gründen“ nicht möglich sei, es dem Bundeskanzleramt aber „ein Anliegen“ sei, direkt auf den offenen Brief zu antworten.

In der Antwort des Kanzleramts werden die bisherigfen Maßnahmen in der Klimapolitik herausgestrichen (Klimaticket, Klimaschutzinvestitionen, Förderungen), zudem wird darauf verwiesen, dass in den Budgets 2021 und 2022 jeweils fünf Mrd. Euro an „grünen Investitionen“ getätigt worden seien. Dies seien mehr als drei Prozent der Bundesausgaben - „der höchste Anteil, den ein staatlicher Emittent grüner Anleihen bisher weltweit erreicht hat“, heißt es wörtlich.

„Lehren für die Zukunft ziehen"

Die EU-Kommission hat derzeit das Ziel, im laufenden Budget 30 Prozent für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben; in der vbergangenen Budget-Periode lag das Ziel bei 20 Prozent; hier hatte allerdings der EU-Rechnungshof festgestellt, dass tatsächliuch weitaus weniger für Klimamaßnahmen ausgegeben worden sei - etwa 14 Prozent.

Bezüglich der Forderung, ein Gas-Embargo umzusetzen, heißt es in der Stellungnahme, dass dies derzeit nicht möglich sei. „Dass das so ist, ist unerfreulich, aber leider Realität. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber die Lehren daraus für die Zukunft ziehen."

Wortlaut des Offenen Briefs von „Fridays for Future":

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

im Rahmen des Austrian World Summits möchten wir, eine internationale Delegation von Fridays-For-Future-Aktivist*innen, mit Ihnen ein Gespräch führen. Wir nehmen wahr, dass Klimagerechtigkeit in Ihren politischen Entscheidungen keine Priorität hat und wir führen das trotz unserer Kenntnis der vielen politischen Interessenskonflikte auf Ihr mangelndes Verständnis multipler globaler Krisen zurück. Daher fordern wir Sie auf, mit Menschen in den Dialog zu gehen, die von der Klimakrise und vom Krieg in der Ukraine unmittelbar betroffen sind. Der Austrian World Summit ist dafür der perfekte Zeitpunkt.

Der letztjährige Austrian World Summit war ein Greenwashing-Skandal. Deshalb wird im heurigen Jahr eine Delegation internationaler Fridays For Future Aktivist*innen präsent sein. Neben Vanessa Nakate (Uganda), Ilyess El Kortbi (Ukraine) und Luisa Neubauer (Deutschland) kommen noch zahlreiche weitere Klimaaktivist*innen aus Uganda und der Ukraine, aber auch aus Polen, Moldau und Österreich nach Wien.

Wir wenden uns nun an Sie, Herr Nehammer, da Österreich vernichtend wenige klimapolitischen Fortschritte vorweisen konnte, seit Sie als Kanzler im Amt sind. Auch das friedenspolitisch so dringend nötige Gas-Embargo blockierten Sie von Anfang an und meinten, es sei “realitätsfremd und falsch”. Als Bundeskanzler wäre es aber Ihre Verantwortung, herauszufinden, wie wir endlich unsere indirekte Finanzierung dieses völkerrechtswidrigen Angriffskriegs beenden können. Zahlreiche Expert*innen sagen, dass ein Gas-Embargo machbar ist. Doch Sie hören nicht hin. Militärexperten weisen darauf hin, dass dieser Krieg mit einem weitreichenden Energie Embargo beendet werden könnte. Doch auch ihre Empfehlungen ignorieren Sie.

Als Bundeskanzler sollte Ihnen bewusst sein, welche Konsequenzen Ihre politischen Handlungen für unsere Generation und die gesamte Welt haben. Ihre Politik zerstört Träume und Existenzen unzähliger Menschen und fordert täglich Menschenleben. Unsere Mitaktivist*innen aus Uganda spüren die Folgen der rapide eskalierenden Klimakrise durch die immer extremeren Dürren und tödliche Überschwemmungen. Aktivist*innen aus der Ukraine verlieren ihre Liebsten durch die Aggression Russlands, welche Österreich mitfinanziert. Aktivist*innen aus Moldau und Polen spüren die Bedrohung, als Nächstes von Russland überfallen zu werden.

Diese Bedrohungen und viele weiter Gründe machen den schnellen Ausstieg aus fossiler Energie notwendig. Worauf Ihre Politik abzielt, ist jedoch das Gegenteil. Daher möchten wir Sie am kommenden Dienstag mit jenen Menschen konfrontieren, die unmittelbar von der Klimakrise und dem Krieg betroffen sind. Wir möchten mit Ihnen über die Ängste unserer Generation sprechen, aber ebenso über all die Lösungen, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden. Bringen Sie den Mut auf und sprechen Sie mit uns!

Erwartungsvoll,

Fridays for Future"

Wortlaut der Stellungnahme des Bundeskanzleramts:

„Vorab: Der Bundeskanzler wird nach aktuellem Stand nicht am Austrian World Summit teilnehmen. Dennoch ist es uns ein Anliegen, direkt auf das Schreiben von „Fridays For Future“ zu antworten und auf die darin genannten Punkte einzugehen.

Der Klimawandel ist eine der größten Aufgabenstellungen der Menschheit, die gemeinsam von allen Staaten der Welt bekämpft werden muss. Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm umfangreiche Maßnahmenpakete definiert, die dem Klimaschutz dienen. Diese Pakete wurden und werden im Rahmen der Regierungsarbeit abgearbeitet.

So wurden schon Maßnahmen wie zum Beispiel das Klimaticket, die Investitionsprämie für Klimaschutzinvestitionen, die „raus aus dem Öl“-Förderung oder die E-Mobilitäts-Offensive verabschiedet und umgesetzt bzw befinden sich in Umsetzung. Laut der Bundesfinanzierungsagentur belaufen sich die in den Bundesbudgets 2021 und 2022 ausgewiesenen grünen Ausgaben auf rund 5 Mrd. Euro pro Jahr. Das bedeutet, dass mehr als 3% der jährlichen Ausgaben des Bundes grün sind, der höchste Anteil, den ein staatlicher Emittent grüner Anleihen bisher weltweit erreicht hat.

Österreich arbeitet zudem intensiv an einem schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Derzeit ist das EWG (Erneuerbaren Wärmegesetz) in Verhandlung, das EAG (Erneuerbaren Ausbau Gesetz) wurde bereits beschlossen. Es beinhaltet u.a. Maßnahmen wie die Umsetzung von Energiegemeinschaften, die von Gemeinden, Bürger/innen, aber auch Unternehmen gegründet werden können.

Faktum ist aber auch, dass Österreich immer noch einen Bedarf an Gasversorgung hat und in diesem Bedarf zu 80% von russischem Gas abhängig ist. Ein rascher Ausstieg ist in sehr kurzer Zeit nicht möglich, weil Österreichs Heizsysteme und die Wirtschaft diese Energiequelle für den Übergang weiterhin brauchen. Würde man von heute auf morgen komplett auf dieses Gas verzichten, wäre nicht nur ein großer Teil der österreichischen Haushalte im nächsten Winter kalt. Auch die heimische Industrie könnte vielerorts nicht mehr produzieren. Das würde wiederum zur Streichung von Arbeitsplätzen führen, was gerade in Zeiten einer europaweiten Inflation kein wünschenswertes Szenario ist. Dass das so ist, ist unerfreulich, aber leider Realität. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber die Lehren daraus für die Zukunft ziehen. Daher arbeiten wir jetzt gerade auch mit Hochdruck daran, möglichst rasch aus diesen Abhängigkeiten herauszukommen. Fachzuständig dafür ist Klimaministerin Leonore Gewessler.

Wir bitte um Verständnis, dass ein Treffen im gewünschten Zeitraum mit dem Bundeskanzler aus terminlichen Gründen nicht möglich ist.

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