Parteiengesetz

Rechnungshof ortet bei ÖVP-Finanzen eine Reihe von Verstößen

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Er zweifelt an den Angaben der Wahlkampf-Ausgaben der Partei bei der Nationalratswahl 2019 und wertet die Seniorenbund-Vereine als Teil der ÖVP.

Der Rechnungshof hat am Freitag die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und dabei eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt. Unter anderem bezweifeln die Prüfer, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Um das zu klären, schickt der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale. Die ÖVP habe diesem vollen Zugang zu den erforderlichen Unterlagen zu gewähren, schreibt RH-Sprecher Christian Neuwirth auf Twitter.

Der Rechnungshof wertet außerdem die mit Corona-Hilfsmitteln geförderten Vereine es ÖVP-Seniorenbundes als Teil der ÖVP. Zwar hat sich der Rechnungshof noch nicht mit den umstrittenen Corona-Förderungen für die ÖVP-Seniorenorganisation befasst - dies wird erst mit den türkisen Finanzberichten 2020 und 2021 erfolgen. Sehr wohl befasst haben sich die Prüfer aber mit der dahinterliegenden Frage, ob die türkis-schwarzen Seniorenorganisationen tatsächlich (wie von der ÖVP behauptet) von der Partei unabhängige Vereine sind oder vielmehr ein Teil der ÖVP.

Als Teil der ÖVP hätte der Seniorenbund keine Coronahilfen beziehen dürfen. Und für den Rechnungshof ist klar, dass die Seniorenvereine tatsächlich der ÖVP zuzurechnen sind. Die Prüfer verweisen auf oftmals deckungsgleiche Vereinssitze direkt in der jeweiligen Bundes- oder Landesparteizentrale, auf einschlägige Formulierungen in den Beitrittserklärungen und auf die Selbstbeschreibung des Seniorenbundes aus 2021: "Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Interessensvertretung in einem.“ Klären muss die Frage nun der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) im Kanzleramt bzw. in weiterer Folge das Bundesverwaltungsgericht. 

Inserate sind Parteispende

Ebenfalls beim Parteien-Senat angezeigt hat der Rechnungshof die Inseraten-Affäre des Vorarlberger Wirtschaftsbundes. Die Prüfer werten Inserate im Wert von 1,3 Millionen Euro als Parteispenden. Zumindest ein Teil davon könnte unzulässigerweise an die ÖVP geflossen sein - nämlich dann, wenn die Spendengrenze von 7500 Euro überschritten wurde oder wenn sie von staatlichen Einrichtungen oder von Firmen mit zumindest 25 Prozent Staatsbeteiligung gekommen sind.

Ebenfalls als verdeckte bzw. unzulässige Parteispenden angezeigt wurden Wahlkampfinserate in der "Niederösterreich Zeitung" der ÖVP (64.000 Euro), die Werbung des Landwirtschaftsministeriums für den Bauernbundball (43.200 Euro) sowie zwei vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Umfragen vor der EU-Wahl 2019 (26.208 Euro).

Erstmals Wirtschaftsprüfer eingesetzt

Apropos: Dass die ÖVP für die EU-Wahl 2019 mehr Geld ausgegeben haben will, als für den politisch deutlich wichtigeren Nationalratswahlkampf, wollen die Prüfer nicht glauben. Der ÖVP zufolge flossen in die EU-Wahl nämlich 6,9 Millionen Euro und in die Nationalratswahl nur 5,6 Millionen Euro.

Zudem liegen dem Rechnungshof mutmaßlich ÖVP-interne Unterlagen vor, die die Einhaltung der Kostengrenze zweifelhaft erscheinen lassen. Weil die ÖVP Fragen dazu teils unbeantwortet ließ, soll nun ein Wirtschaftsprüfer die Unterlagen der Partei überprüfen. "Das ist erstmalig so, dass der Rechnungshof das macht", betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Das Auswahlverfahren wurde am Freitag gestartet.

Nehammer: „Wir werden voll kooperieren"

Die Prüfung der Parteibilanz hat unüblich lange gedauert, denn von September 2020 bis April 2022 hat die ÖVP drei verschiedene Fassungen ihres Rechenschaftsberichts eingereicht. Außerdem löst der Rechenschaftsbericht weitere Prüfungen aus. Unter anderem will der Rechnungshof nämlich untersuchen, ob bei der Betreuung der Social Media Accounts von Regierungsmitglieder zwischen Partei- und Regierungsmitteln unterschieden wird.

Die ÖVP gibt sich in einer ersten Stellungnahme gelassen. „Denn die vom Rechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfer haben alles bereits mehrmals geprüft. Dass sich der Rechnungshof durch einen dritten Wirtschaftsprüfer absichern möchte, nehmen wir zur Kenntnis“, heißt es vonseiten der Partei.

„Wir haben nichts zu verbergen aus dieser Zeit", meinte Bundeskanzler und Parteiobmann Karl Nehammer am Freitag am Rande eines Besuchs in Tallinn. Er sagte volle Transparenz und volle Zusammenarbeit bei der Aufklärung zu. Er betonte auch, dass es „verrückt gewesen wäre", die Wahlkampfkosten zu überziehen nach den Erfahrungen von 2017, als die ÖVP wegen der massiven Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze vom UPTS zu einer Geldbuße verdonnert wurde. Die nächsten Schritte des Rechnungshofs sind abzuwarten. „Wir werden voll kooperieren, damit der Rechnungshof seine Gewissheit hat“, betonte Nehammer. >>> Das Millionengeschäft mit den Parteimedien

>>> Das Doppelleben der schwarzen Bünde

(APA)

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