Junge Forschung

Das Tor zum Weltall schützen

Unter den 12.000 Mitgliedern der Internationalen Astronomischen Union sind nur 57 unter dreißig Jahre alt. Stefan Wallner ist eines davon.
Unter den 12.000 Mitgliedern der Internationalen Astronomischen Union sind nur 57 unter dreißig Jahre alt. Stefan Wallner ist eines davon.Daniel Novotny
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Durch künstliches Licht immer hellere Nächte schaden Mensch und Umwelt. Der Astrophysiker Stefan Wallner möchte der Lichtverschmutzung entgegenwirken.

„Das Weltall und all die damit verbundenen philosophischen Fragen, wie etwa, welchen Platz wir Menschen darin einnehmen, sind enorm faszinierend“, sagt Stefan Wallner. „Ich habe mich aber entschlossen, meine Forschung dem Schutz des Himmels, also des ,Tores‘ dorthin, zu widmen.“ Der 28-Jährige ist Astrophysiker an der Universität Wien und leitet eine Arbeitsgruppe zum Thema Lichtverschmutzung. Darunter versteht man die schädlichen Effekte der künstlichen Dauerbeleuchtung, die die Nächte insbesondere in den Industrieländern immer heller macht. Zusätzlich trägt die wachsende Zahl der Satelliten in der Erdumlaufbahn dazu bei, dass es kaum irgendwo auf der Welt mehr so richtig dunkel wird. In Österreich sind nur noch zehn Prozent der eigentlich mit freiem Auge sichtbaren Sterne zu erkennen, ein Drittel der Bevölkerung sieht die Milchstraße nicht mehr.

Gestörte innere Uhr

Darunter leidet der Tag-Nacht-Rhythmus aller Lebewesen. Lichtverschmutzung ist mitverantwortlich für das weltweite Insektensterben, beeinträchtigt die Bestäubung von Pflanzen und die Orientierung der Zugvögel. Wallner: „Auch die Menschen regenerieren sich nachts schlechter, denn der Körper kann das dazu nötige Hormon Melatonin nur im Dunkeln produzieren.“ Problematisch ist diesbezüglich vor allem der hohe Anteil an kurzwelligem blauen Licht in LED-Laternen. „Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang mit erhöhten Krebsrisken.“

Aktuell untersucht Wallner, wie sich das Phänomen in den vergangenen zehn Jahren auf die heimischen Naturparks ausgewirkt hat. „Abgesehen davon, dass die Städte selbst zu stark leuchten, geben sie auch großräumig Licht ab. Die Lichtkuppel von Wien etwa reicht unter speziellen atmosphärischen Bedingungen über 200 Kilometer weit.“ Es wäre sinnvoll, künftig nicht nur die Luftqualität, sondern auch die Lichtemission in Routinemessnetze einzubinden und deren Entwicklung so im Auge zu behalten.

Die Wechselwirkung zwischen Luft- und Lichtverschmutzung erforscht Wallner ebenfalls. Für Messungen ist er mit seinem Team oft nachts unterwegs, tagsüber dominieren Datenanalyse und Simulationen. „Unter anderem sehen wir uns die Beziehung der bodennahen Lichtquellen mit der Atmosphäre und den Einfluss von Mega-Satellitenkonstellationen an.“ Daneben gibt es den praxislastigen Teil der Arbeit. „Wir setzen uns intensiv für Nachtlandschaftsschutzgebiete ein.“

Im Vorjahr konnte Wallner sein bisher größtes Projekt abschließen, den „Sternenpark“ zwischen Attersee und Traunsee. Das über hundert Quadratkilometer große Gebiet ist nun von der International Dark-Sky Association zertifiziert. Das soll helfen, fortan die kostbare Dunkelheit verstärkt zu hüten – etwa durch Umrüstung der öffentlichen Beleuchtung auf warmweißes Licht.

Das Astronomiestudium sei eine Impulsentscheidung gewesen, erzählt der Burgenländer. Der Keim für sein Interesse wurde zwar schon früh in der Eisenstädter Volkssternwarte gelegt, doch diese schloss 2006 ihre Pforten. „Als einziges Bundesland hat das Burgenland seitdem keine.“ Das habe offenbar unbewusst in ihm nachgewirkt. „Nach der Matura wünschte ich mir plötzlich so sehr, die Astronomie wieder hierherzuholen, dass mir sogar einmal die Oliven auf meiner Pizza wie Planeten vorkamen.“ In seiner Masterarbeit beschrieb er ein Konzept für eine neue Volkssternwarte und stieß dabei auf die Lichtverschmutzung. Für die Dissertation darüber erhielt er im Vorjahr den Umweltpreis der Stadt Wien.

Wallner ist ein leidenschaftlicher Wissenschaftskommunikator, hält Vorträge, organisiert Events und Workshops. „Ich liebe es, Groß und Klein für Astronomie zu begeistern.“ Seine Forschungslaufbahn bereitet ihm seit der letzten Universitätsgesetznovelle allerdings Sorgen, denn diese beschränkt befristete Dienstverhältnisse an einer Uni nun auf acht Jahre. „Und ein Lehrstuhl für Lichtverschmutzung ist in Österreich bislang nicht in Sicht.“ Privat kommt für den zweifachen Vater die Familie an erster Stelle. „Bleibt dann noch Zeit, gehört sie dem Fußball.“

ZUR PERSON

Stefan Wallner (28) hat an der Uni Wien Astronomie studiert und 2020 promoviert. Er ist Postdoc am Institut für Astrophysik und forscht seit 2018 an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava. Darüber hinaus ist er Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik sowie Mitglied der Internationalen Astronomischen Union.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2022)

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