Unterwegs

Keine Überraschung mehr beim Reisen

In der guten alten Zeit gab es Überraschungen auf Reisen. In der schlechten neuen gibt es Google.

Früher war die Welt noch in Ordnung. Früher pflegte ich damit zu prahlen, weit mehr von meinen Reisen zu profitieren als der touristische Pöbel, der sich vorahnungslos in seine Welterkundungen stürzt und dessen Erlebnis sich auf das kurze Unterwegssein beschränkt. Ich aber befeuerte monatelang meine Vorfreude, indem ich mich zu meiner Destination einlas, in allen verfügbaren touristischen Expertisen, meist textlastige Elaborate, zu deren verbalen Verheißungen meine Einbildungskraft paradiesische Bilder imaginierte.

Vor Ort gab es dann immer noch genug, womit ich nicht gerechnet hatte. Aber damit ist es nun vorbei. Nein, nicht wegen der Reiseführer der neueren Generation, die nur noch aus bunten Bildchen bestehen, als seien sie für Analphabeten publiziert. Diese Machwerke könnte ich mit Verachtung ignorieren. Aber den Versuchungen von Google halte ich nicht stand.

Google Maps in der Luftbild-Variante ist schlimm genug. Google Earth aber verrät alles im Voraus. Beim Vogelflug über die abfotografierten Lande zoome ich heran, in bis zu drei Dimensionen: Sehenswürdigkeiten, Berge, Strände, Plätze. Aber auch entlegene Vorstadtgassen, auf Google Street View, noch so eine größenwahnsinnige, sinnfreie Erfindung, der neugierige Kopfreisende wie ich hoffnungslos verfallen. Das leibhaftige Reisen kann ich mir ersparen.

Es bietet nicht mehr die kleinste Überraschung, nur noch gelangweiltes Abhaken des schon sattsam Bekannten. Die echte Welt als müder Abklatsch der virtuellen. Fahrt zur Hölle, ihr Apps! Und damit ihr dort sicher ankommt: Verwendet Google Maps.

karl.gaulhofer@diepresse.com

Nächste Woche: Christoph Zotter

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2022)

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