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Geist & Gegenwart

Die Energiewende muss sich beschleunigen

Gastgeber Herwig Hösele (Club Alpbach Steiermak) mit Jakob Zirm, „Die Presse“, Sonja Wogrin (TU Graz), Martin Selmayr, Vertreter der Europäische Kommission, der Ökonomin Monika Köppl-Turyna und Urs Harnik-Lauris (Energie Steiermark).
Gastgeber Herwig Hösele (Club Alpbach Steiermak) mit Jakob Zirm, „Die Presse“, Sonja Wogrin (TU Graz), Martin Selmayr, Vertreter der Europäische Kommission, der Ökonomin Monika Köppl-Turyna und Urs Harnik-Lauris (Energie Steiermark).(c) Foto Fischer
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Energiezukunft. Wenn nach dem Öl auch noch das russische Gas fehlt, wird es eng und teuer. Doch es gibt Wege, um die Krise einzudämmen.

Mit Jakob Zirm („Die Presse“) diskutierten Monika Köppl-Turyna, Ökonomin und Direktorin von EcoAustria, Sonja Wogrin Professorin an der TU Graz, Martin Selmayr, Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich und Urs Harnik-Lauris von Energie Steiermark.
Bis zum Ende des Jahres wird 90 Prozent des Ölimports aus Russland in die EU eingestellt, Kohleimporte sind bereits jetzt Vergangenheit. Die Folgen betreffen alle, mahnt Martin Selmayr, deshalb müsse sich die Energiewende dramatisch beschleunigen. Zeitenwende hieße, dass sich alles fundamental ändert: „Die Konsequenzen müssen wir den Menschen erklären und die Folgen wirtschaftlich, infrastrukturell, politisch, finanziell und sozial abfedern.“

Wettbewerbsverzerrung

Der Gaspreis ist schuld. Der Treiber der explodierenden Inflation, die in den Wintermonaten sogar zweistellig werden könnte, ist der Gaspreis und der daran gekoppelte Strompreis, erläutert die Ökonomin Monika Köppl-Turyna, denn 80 Prozent des importierten Gases fließen in Österreich an die Industrie. „Das ist das wichtigste Element, das die Inflation beschleunigt.“

Um dem Inflationsdiktat durch den steigenden Gaspreis entgegenzuwirken, sollte prinzipiell das System zur Bestimmung des Strompreises überdacht werden, meint Urs Harnik-Lauris. Durch das „Merit-Order-Prinzip“ orientiert sich der Preis für den Konsumenten immer an den Erzeugungskosten des gerade teuersten, in Betrieb befindlichen Gaskraftwerk. „Das ist zu hinterfragen, denn es gibt eine gewisse Wettbewerbsverzerrung am Strommarkt“, führt Lauris aus. „Jene Unternehmen, die über eigene hohe Produktionskapazitäten verfügen, sind die Gewinner der aktuellen Situation. Es ist die Frage, wie man mit den Gewinnen umgeht und wie sie im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit zu verteilen sind.“

Die Lösung heißt Energiesparen. „Jeder Einzelne kann etwas tun. Effizientere Geräte für den Haushalt kaufen, in die Wärmedämmung von Häusern investieren“, mahnt Sonja Wogrin. „Die beste Energie ist die, die man nicht verbraucht. Wir können das verändern, wenn wir nicht Teil des Problems bleiben, sondern zu einem Teil der Lösung werden.“ Denn, so Wogrin, Veränderungen in der Infrastruktur brauchen Zeit: „Der Bau des Murkraftwerks hat zehn Jahre gedauert. Bei der Salzburgleitung sprechen wir ebenfalls von zehn Jahren.“ Eine Sanierungsinitiative zur Wärmedämmung und Anreize wie der Austausch von Öl- und Gasheizungen wären ebenfalls sinnvoll.

Ein Kraftakt ist nötig

Die Uhr tickt, mahnt Martin Selmayr: „Wir müssen 100 % darauf vorbereitet sein, dass morgen das russische Gas ausbleibt. Deshalb muss jedes öffentliche oder gewerblich genutzte Gebäude und jedes neue Wohngebäude eine PV-Anlage bekommen. Wir müssen die Windkraft ausbauen. Da braucht es jetzt einen großen Kraftakt in allen Mitgliedsstaaten.“ Harnik-Lauris ergänzt, dass Fotovoltaikanlagen nur indirekt eine Antwort auf fehlendes Gas sein können: „Wir brauchen grünes Gas in den Netzen, grünen Wasserstoff oder andere grüne Gase. Hier könnte rasch mehr gemacht werden.“

Teure Energiepreise schaden der gesamten Wirtschaft. Es wird auch zusätzliches Geld brauchen, um in den nächsten Jahren den Ausstieg aus russischen fossilen Energieträgern zu schaffen. Selmayer schätzt den Bedarf auf 300 Milliarden zusätzlich zu jenen 30 % des EU-Haushalts, die bis zum Jahr 2027 für den „Green Deal“ vorgesehen sind. „Eine Energieautonomie Europas ist eine Utopie“, unterstreicht Selmayr. „Zudem resultiert der Wohlstand aus dem Export. Europa wird immer offene Märkte brauchen und Handel treiben müssen. Wir brauchen die Globalisierung.“

Fakten zum Pfingstdialog

Die steirischen Pfingstdialoge „Geist & Gegenwart“ wurden 2005 auf Schloss Seggau in der Südsteiermark ins Leben gerufen und sind eine Veranstaltungsreihe des Club Alpbach Steiermark in Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark und der Diözese Graz-Seckau. Sie wurden zunächst biennal und werden seit 2021 jährlich zu grundsätzlichen Fragen Europas abgehalten. Der diesjährige 10. Pfingstdialog stand unter dem Generalthema: „Green Europe. Deal oder no deal?“


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