Iran

Die Kriegsgefahr in Nahost wächst

Noch ist unklar, was der Iran mit seinem Konfrontationskurs erreichen will. Im Bild die Ferdowsi-Straße in Teheran am Sonntag.
Noch ist unklar, was der Iran mit seinem Konfrontationskurs erreichen will. Im Bild die Ferdowsi-Straße in Teheran am Sonntag. (c) Vahid Salemi / AP / picturedesk.com
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Teheran schaltet die Atom-Überwachung ab, die Wiener Nukleargespräche stehen auf der Kippe. Israel übt bereits Luftangriffe auf iranische Atomanlagen.

Teheran/Istanbul. Ein Arbeiter in einer iranischen Atomanlage legt zwei Schalter in einem Sicherungskasten um, worauf zwei Lampen an einer blauen Kamera erlöschen: Aufnahmen des iranischen Fernsehens zeigen den Moment, in dem Teheran damit begann, die internationale Überwachung seines Atomprogramms abzubauen. Der Iran will 27 Kontrollkameras der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ausschalten und die Urananreicherung verstärken. Damit wächst die Gefahr eines neuen Krieges im Nahen Osten. Israels Luftwaffe übt schon Angriffe auf iranische Atomanlagen.

Der Abbau der Kameras ist die Antwort des Iran auf eine Resolution des IAEA-Vorstands, die vorige Woche von den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien vorgelegt und mit großer Mehrheit angenommen wurde. Der Beschluss kritisierte, der Iran habe der IAEA nicht alle Fragen zu seinem Atomprogramm beantwortet. Der Iran drohte schon vor Verabschiedung der Resolution mit Vergeltung – und baute die Kameras ab. Zudem nahmen die Iraner in den vergangenen Tagen hochmoderne Zentrifugen zur Urananreicherung in Betrieb, die dem Land schon bald waffenfähiges Uran liefern könnten. Kameras und Messgeräte, die von IAEA-Experten aus der Ferne ausgewertet werden können, waren ein Kernbestandteil des Atomvertrags von 2015. Damals fügte sich Teheran den Kontrollen, die verhindern sollten, dass in iranischen Nuklearbetrieben heimlich Atombomben gebaut werden.

Im Gegenzug sollten westliche Sanktionen gelockert werden. Der damalige US-Präsident, Donald Trump, kündigte den Vertrag 2018 und erließ neue Sanktionen, woraufhin der Iran die Urananreicherung weit über das vertraglich erlaubte Maß hinaus steigerte. Trumps Nachfolger, Joe Biden, will das Abkommen neu beleben, doch Verhandlungen in Wien liegen seit März auf Eis.

Biden ist innenpolitisch unter Druck, weil im Herbst Kongresswahlen anstehen. Iran-Gegner im Parlament lehnen ein neues Abkommen ab. Auch für die iranische Führung wird die Lage im eigenen Land brenzlig: Die iranische Wirtschaft rutscht wegen der US-Sanktionen immer tiefer in die Krise. Der iranische Rial sank in den vergangenen Tagen auf den neuen Tiefstand von 332.000 zu einem Dollar – zehnmal schwächer als bei Abschluss des Atomabkommens 2015. Präsident Ebrahim Raisi steht zudem wegen eines umstrittenen Subventionsabbaus in der Kritik, der vor allem arme Leute trifft. Die USA könnten ihm als Sündenbock dienen.

Noch ist unklar, was der Iran mit seinem Konfrontationskurs erreichen will. Bedeutet das Abschalten der Kameras, dass Raisi die Bemühungen um ein neues Abkommen aufgibt und alles daran setzt, möglichst bald eine Atombombe zu bauen? Oder versucht Teheran, den Westen zu Zugeständnissen bei den Wiener Gesprächen zu zwingen? Auch wenn 27 Kameras ausgeschaltet wurden, hat die IAEA im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages immer noch mehr als 40 Überwachungsgeräte im Iran. Möglicherweise will Teheran pokern. Der Iran verlangt, die USA sollen die Einstufung der Revolutionsgarde als Terrorgruppe zurücknehmen. Biden lehnt das ab. Ob endgültige Abkehr vom Atomdeal oder taktischer Schachzug: Der Iran riskiert, dass die Wiener Verhandlungen scheitern. Wenn die IAEA-Kameras innerhalb von drei bis vier Wochen nicht wieder angeschlossen werden, ist die Kontrollbehörde laut ihrem Chef, Rafael Grossi, nicht mehr in der Lage, Irans Atom-Aktivitäten lückenlos nachzuvollziehen. Das wäre der „Todesstoß“ für die Bemühungen um ein neues Atomabkommen, so Grossi.

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