Dublin wütend

Johnson: Änderung von Nordirland-Protokoll nur "bürokratische Vereinfachung"

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Die von London geplante Gesetzesvorlage breche internationales Recht und sei ein besonderer Tiefpunkt der britischen Herangehensweise an den Brexit, sagt Irlands Außenminister. London versucht zu beschwichtigen.

Nach monatelangem Ringen um das Nordirland-Protokoll zum Brexit stellt Großbritanniens Premierminister Boris Johnson die umstrittenen Änderungspläne seiner Regierung als eine verwaltungstechnische Formsache dar. "Wir versuchen nur einige bürokratische Vereinfachungen zwischen Großbritannien und Nordirland zu erreichen", sagte Johnson dem Radiosender LBC. Der irische Außenminister Simon Coveney sprach am Montag dagegen offen von "Rechtsbruch".

Es handle sich um eine Reihe "relativ trivialer Änderungen", erklärte Johnson. Falls die EU als Reaktion auf britische Gesetzespläne einen Handelskrieg begänne, wäre das eine "grobe Überreaktion". Diesen Montag wollte Außenministerin Liz Truss einen Gesetzentwurf für das im Zuge des Brexit ausgehandelte Abkommen vorlegen, was das Risiko eines Handelskriegs mit der EU erhöhen dürfte.

Truss forderte von der EU erneut die Bereitschaft zur Überarbeitung des Nordirland-Protokolls: "Unsere Präferenz ist eine Verhandlungslösung, aber die EU muss eine Änderung des Protokolls selbst wollen", schrieb die Ministerin auf Twitter. Sie habe mit EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic über die geplante Gesetzesvorlage gesprochen. Mit der Initiative sollten die "Probleme mit Nordirland behoben und politische Stabilität wiederhergestellt" werden. Die britische Regierung hat das Nordirland-Protokoll selbst im Rahmen des EU-Austritts ausgehandelt, es inzwischen aber für nicht praktikabel erklärt.

Sefcovic dagegen warnte vor einseitigen Maßnahmen. Dies schade dem gegenseitigen Vertrauen und sorgen für Unsicherheit, so der EU-Chefverhandler nach dem Telefonat mit Truss. Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister, bezeichnete einseitige Maßnahmen ebenfalls als "nicht akzeptabel".

De facto Zollgrenze zu Irland

Die derzeitige Vereinbarung sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die aus historischen Gründen sensible Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten. Durch die Übereinkunft ist aber de facto eine Zollgrenze in der Irischen See entstanden, die Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs trennt. Das führte unter anderem zu Lieferproblemen und auch insgesamt zu großem Unmut in Großbritannien. Mit dem Gesetz, das am Montag vorgestellt werden soll, will die Regierung Teile der Brexit-Vereinbarungen aushebeln. Um den Handel zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens zu vereinfachen, sollen beispielsweise mit einer "grünen Spur" Kontrollen wegfallen.

Das Thema hatte zuletzt neue Brisanz bekommen, weil bei der Parlamentswahl in Nordirland erstmals die katholisch-nationalistische Partei Sinn Fein stärkste Kraft wurde. Sie verfolgt das Ziel einer Abspaltung von Großbritannien und einer Vereinigung mit Irland. Sinn Fein warf der britischen Regierung am Sonntag mit Blick auf die geplanten Änderungen Gesetzesbruch vor.

Der irische Außenminister ließ nach einem Telefongespräch mit Truss durch seinen Sprecher ausrichten, die von London geplante Gesetzesvorlage breche internationales Recht und sei ein besonderer Tiefpunkt der britischen Herangehensweise an den Brexit. "Dieses Gesetz ist weit davon entfernt, Probleme zu lösen, sondern wird eine ganze Reihe neuer Unsicherheiten auslösen und Schaden anrichten."

(APA/Reuters)

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