"Geheimprozess" um Grassers Steuermillionen

Steuerhinterziehung? Karl-Heinz Grasser und sein Anwalt Norbert Wess im Straflandesgericht Wien.
Steuerhinterziehung? Karl-Heinz Grasser und sein Anwalt Norbert Wess im Straflandesgericht Wien.APA/Roland Schlager
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Karl-Heinz Grasser steht wieder vor Gericht. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Die mehrtägige Verhandlung läuft äußerst diskret ab – nämlich hinter verschlossenen Türen.

Was er denn beruflich mache, fragt Richter Michael Tolstiuk den vor ihm sitzenden Angeklagten. Karl-Heinz Grasser, von 2000 bis 2007 Finanzminister der Republik Österreich (erst FPÖ, später ÖVP-nahe), überlegt – und es scheint, als suche er nach einer wohlklingenden Formulierung, doch dann blockt er ab: „Ich möchte dazu keine Angaben machen.“

Diese Worte, gleich zu Beginn des am Montag im Straflandesgericht Wien angelaufenen Prozesses, sollten sich sehr bald als wegweisend entpuppen. Denn viel mehr bekamen weder die Leute, die zum „Grasser-Schauen“ gekommen waren, noch die Medienvertreter zu hören. Denn nach wenigen Minuten verkündete der Schöffensenat einen kompletten Ausschluss aller Zuschauer. Grasser hatte zuvor ebendies befürwortet. Gemäß Finanzstrafgesetz ist ein solcher Ausschluss möglich, da es um Steuergeheimnisse geht.

Acht Verhandlungstage

Was geredet wird, wenn ausgerechnet ein Ex-Finanzminister den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu verantworten hat, bleibt somit der interessierten Öffentlichkeit verborgen. Acht Verhandlungstage sind vorerst angesetzt. Erst bei der Urteilsverkündung – und dort nur eingeschränkt – wird es wieder erlaubt sein, im Saal Platz zu nehmen.

Aber natürlich ist längst bekannt, worum es geht. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA, nicht einmal ihr Eröffnungsvortrag ist öffentlich) wirft dem einstigen Mitglied der Bundesregierung (Kabinett Schüssel 1 und Schüssel 2) vor, nach dem Ministeramt, als Manager des Meinl-Wirtschaftsimperiums, 2.161.301 Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Mitangeklagt ist jener Steuerberater, der damals für Grasser ein kompliziertes Stiftungsgeflecht aufsetzte – ein diskretes Konstrukt, in das die Millionen-Provisionen für die von Grasser erbrachten Management-Dienste flossen.

Der konkrete Vorwurf laut der hundertseitigen Anklageschrift, welche nun von den WKStA-Oberstaatsanwälten Gerald Denk und Alexander Marchart vertreten wird: Der mittlerweile 53-jährige Ex-Politiker habe in seiner Einkommenssteuererklärung von 2007 Einnahmen in Höhe von ungefähr 4,4 Millionen Euro (für Vertriebsleistungen an die Meinl Bank) nicht angeführt. Daher sei die Steuer eben um knapp 2,2 Millionen Euro zu gering festgesetzt worden.

„Kein Finanzstrafverfahren"

Grassers Anwalt Norbert Wess hatte die „Presse“ vorab wissen lassen, dass er dem Gericht eine Gegenschrift zur Anklage übermittelt habe. Und dass Grasser „zuversichtlich“ sei: Das Gericht, so heißt es in der Stellungnahme, werde zum Ergebnis kommen, „dass kein Finanzstrafvergehen vorliegt“.

Nicht nur auf die Richter-Frage nach seinem Beruf, auch auf Fragen nach seinem Einkommen, nach seinem Vermögen und nach seinen Schulden, verweigert Grasser nun die Antwort. Der Richter nimmt es gelassen, wirft einen Blick in das Vorstrafenregister und stellt fest: „Vorstrafen sind keine vorhanden.“

Zur Erklärung: Ja, Grasser hat im Untreue-Verfahren um die Privatisierung von Bundeswohnbaugesellschaften (Buwog und andere) und um die Einmietung von Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower acht Jahre Gefängnis bekommen. Da die Strafe aber nicht rechtskräftig ist, gilt KHG (so sein häufig verwendetes Kürzel) als unbescholten.

Ein wortkarger Mitangeklagter

Ebenso wortkarg gibt sich der angeklagte Steuerberater. „Keine Angabe“ ist seine Standardantwort auf alle Richter-Fragen nach seinen finanziellen Verhältnissen. Auch in puncto Verteidigung lässt der Steuerberater nichts „anbrennen“: Drei Rechtsvertreter, allen voran der Grazer Anwalt Gerald Ruhri (er stellte den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, Anwalt Wess schloss sich an) und ein eigens angeheuerter Sachverständiger für Steuerrecht sollen ihm in den nächsten Wochen Rückendeckung geben.

Geht es nach der Anklage, so hat Grasser im Rahmen seiner Tätigkeit für ein vom Meinl-Imperium initiiertes Wind- und Solarenergie-Investitions-Projekt den Vorsatz gehabt, Abgaben zu hinterziehen. Nunmehr bemühe sich der Ex-Politiker, sich als steuerrechtlich unwissend darzustellen. Aber Grasser sei „kein steuerlicher Dilettant“.

Schließlich habe er (und das ist einer der wenigen Punkte, die Grasser beim Start der Verhandlung bestätigt) „angewandte Betriebswirtschaftslehre“ studiert. Und natürlich dürfe in dem Zusammenhang laut Anklage nicht vergessen werden, dass KHG einmal Finanzminister war.

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