Vatikan

Kanadier wird neuer Statthalter des Malteserordens

Wolfgang Greber
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Fra' John Dunlap, Bruder und Ritter des Ordens, wird Nachfolger des kürzlich plötzlich verstorbenen Marco Luzzago. Die legendäre Gemeinschaft mit Wurzeln im 11. Jahrhundert ist eigenes Völkerrechtssubjekt und laboriert seit Jahren an internen Problemen.

Fra' John Dunlap (65) ist zum neuen Statthalter des Malteserordens, also zu dessem interimistischen Vorsitzenden, ernannt worden. Papst Franziskus bestimmte den Kanadier zum Nachfolger des vergangene Woche plötzlich verstorbenen Fra' Marco Luzzago, wie der Orden laut Kathpress mitteilte. Dunlap übernimmt damit die Leitung des Ordens, bis die seit längerem avisierte Wahl eines neuen Großmeisters und Ordensoberhauptes stattfindet.

Die Vereidigung Dunlaps soll nach Angaben des Malteserordens am Dienstag, nach der Beisetzung Luzzagos, stattfinden. Gemeinsam mit dem Rat des Ordens und dem päpstlichen Sonderbeauftragten Silvano Tomasi solle Dunlap den Prozess der Verfassungsreform des Souveränen Malteserordens fortsetzen.

Der Jurist aus Ottawa trat 1996 in den Malteserorden, der seit Jahrhunderten ein staatsähnliches Völkerrechtssubjekt ohne eigenes Land darstellt, ein, und legte 2008 als erstes Mitglied aus dem amerikanischen Kontinent seine Gelübde ab. 2009 wurde er für eine fünfjährige Amtszeit zum Mitglied des Souveränen Rates des Ordens gewählt. Wiederwahlen folgten 2014 und 2019.

Souveräner Malteserorden

Statthalter Luzzago war am 7. Juni überraschend im Alter von 71 Jahren gestorben. Er hatte seit dem Tod von Großmeister Giacomo Dalla Torre 2020 die Geschicke des Souveränen Ordens geleitet. Dalla Torre, ein Italiener, war wiederum erst seit 2018 Großmeister gewesen, und zwar  der 80. Großmeister seit der Gründung dieses legendären Ritterbundes im 12. Jahrhundert. Das Begräbnis Luzzagos findet am Dienstag in der Basilika der Heiligen Bonifatius und Alexis auf dem römischen Aventin-Hügel statt. Geleitet wird der Trauergottesdienst von Kardinal Tomasi. Der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Battista Re, und der Prälat des Malteserordens, Jean Laffitte, konzelebrieren.

Gründung lange vor den Kreuzzügen

Der Malteserorden begann eigentlich als Johanniter- bzw. Hospitaliter-Orden, gegründet durch einen gewissen Gerhard Sasso (auch: Gerhard Tonque) um 1100 herum in Jerusalem. Sasso (ca. 1040 bis 1120), dessen Herkunft entweder im heutigen Frankreich oder in Italien verortet wird, hatte ein schon seit mindestens 1048 bestehendes Spital und Gästehaus primär für christliche Pilger neu organisiert und erweitert und eine formelle, streng organisierte Bruderschaft zu dessen Betrieb und polizeilichem Schutz geschaffen; deren Wurzeln werden bisweilen auch schon im Kern auf einige Jahrzehnte früher datiert.

Nach der Einnahme bzw. Rückeroberung Jerusalems durch christlich-europäische Truppen 1099 wurde der Orden jedenfalls zusehends militarisiert und allmählich zu einem Machtfaktor auch mit eigenen Burgen und sonstigem Landbesitz.

Nach dem Ende des Königreichs Jerusalem 1291 gegen die moslemischen Mameluken zog der Orden zunächst nach Zypern um, später nach Rhodos. Nach dessen Eroberung durch die Türken 1522 war die Gemeinschaft zeitweise in Italien und Südfrankreich ansässig und bekam 1530 die Insel Malta als neues Herrschaftsgebiet geschenkt, durch den Habsburgerkaiser und König von Spanien Karl V. (Herrschaft 1519-1556). 1565 wurde Malta in einer welthistorischen Entscheidungsschlacht gegen die Türken verteidigt ("Die große Belagerung") und danach zu einer Festung ausgebaut, vor allem die heutige Hauptstadt Valletta.

viewingmalta.com/Malta Tourism

Zum Landesverlust kam es 1798, nachdem französische Truppen unter Napoleon Malta besetzt hatten: Der damalige Ordensgroßmeister Ferdinand von Hompesch zu Bolheim, bis heute der einzige Deutsche in dieser Staatsoberhaupts-Funktion, hatte seinen Rittern und maltesischen Hilfstruppen den Kampf gegen die Franzosen untersagt, da die Malteserritter gemäß ihrer eigenen Regeln nicht gegen andere Christen kämpfen durften. Außerdem war das Gros der Ritter selber aus Frankreich und sah die Invasion nicht zwingend negativ.

Die Malteserritter verließen daher großteils die Insel, die ihrerseits sehr bald von den Briten besetzt wurde, und emigrierten in andere Länder,  häufig nach Russland. Es gab interne Probleme, 1801 übertrug der Ordensrat das Recht zur Ernennung des Großmeisters auf den Papst.

Souverän, doch ohne Land

In vielen Ländern wurde der Besitz des Ordens im 19. Jahrhundert eingezogen, nicht jedoch etwa in Österreich. Der Wiener Kongress bestätigte 1815 die Trennung Maltas vom Orden, durch wurde er durch spätere Verträge als souveräner Staat ohne eigenes Land abseits gewisser Liegenschaften anerkannt und bezog 1834 Rom als Sitz. Heute gilt er als souveränes, nicht-staatliches Völkerrechtssubjekt ähnlich dem Roten Kreuz, hat eigene Gerichte, zu mehr als 110 Staaten (darunter  Österreich) diplomatische Beziehungen und genießt Beobachterstatus etwa bei der UNO, der WHO und anderen Organisationen. Da er aber zugleich auch ein katholischer Orden ist, hat der Vatikan bzw. Heilige Stuhl allerhand Aufsichts- und Leitlinienrechte.

Seine Haupttätigkeiten setzt er im humanitären und karitativen Bereich. Zuletzt wurde die Zahl der Ritter und mittlerweile auch Damen des kompliziert strukturierten Ordens mit etwa 13.500 weltweit angegeben, dazu kommen zehntausende Angestellte und ehrenamtliche Mitarbeiter.

2016/2017 kam es zu einer Verfassungskrise des Malteserordens, die durch eine rechtlich umstrittene Absetzung von Großkanzler Albrecht Freiherr von Boeselager, einem Deutschen, durch den damaligen amtierenden Großmeister Matthew Festing, einem Engländer, ausgelöst wurde. Die Amtsenthebung musste auf Wunsch von Papst Franziskus zurückgenommen werden. Danach teilte der Vatikan mit, Großmeister Festing habe seinen Rücktritt eingereicht, worauf Dalla Torre die Interimsleitung und 2019 wie erwähnt die Großmeister-Rolle übernahm.

Reformbedarf und interne Probleme

Sein baldiger Tod 2020, Corona sowie die Absetzung des päpstlichen Delegierten des Ordens, Kardinal Angelo Becciu (er ist mittlerweile Hauptangeklagter in einem Prozess im Vatikan um einen verlustreichen Londoner Immobiliendeal), verzögerten die interne Reform des Ordens erheblich. Im Oktober übertrug Franziskus seinem neuen Delegaten, Kardinal Tomasi, die faktische Kontrolle über die Ordensleitung.

(APA/wg)

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