Rede

Putin: "Blitzkrieg" des Westens gegen die russische Wirtschaft gescheitert

Wladimir Putin nutzte die Bühne in St. Petersburg, um zu versichern, Russland werde von den westlichen Sanktionen kaum getroffen.
Wladimir Putin nutzte die Bühne in St. Petersburg, um zu versichern, Russland werde von den westlichen Sanktionen kaum getroffen.IMAGO/ITAR-TASS
  • Drucken

Putins Rede beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg startete wegen eines Cyberangriffs etwas verspätet. Was folgte, war ein verbaler Rundumschlag des russischen Präsidenten gegen den Westen. Man orientiere sich nun eben anders.

Der russische Präsident Wladimir Putin hält die Wirtschaft seines Landes trotz der westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs für robust. Die Versuche, diese zu schwächen, seien gescheitert, sagte Putin am Freitag auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Der wirtschaftliche "Blitzkrieg" gegen Russland habe keine Chance auf Erfolg.

Das Bankensystem sei stabilisiert worden. Es gebe ausreichend Liquidität, mit der die Wirtschaft versorgt werden könne. Düstere Prognosen über eine drastische Abwertung der Landeswährung Rubel hätten sich nicht erfüllt. Auch bei der Inflation sei der Höhepunkt mittlerweile überschritten.

„Nicht wir haben die Häfen vermint"

Russland behindert nach Worten von Putin nicht die Getreidelieferungen aus der Ukraine. "Nicht wir haben die Häfen vermint", sagte der russische Präsident. Sollte Kiew sich entscheiden, die Minen zu räumen, werde Moskau die Sicherheit der Ausfuhren gewährleisten, sagte Putin.

Nach Darstellung des russischen Präsidenten sind die ukrainischen Getreidelieferungen für den Weltmarkt allerdings unbedeutend. Es gehe um fünf bis sechs Millionen Tonnen Weizen und eine etwa ebenso große Menge Mais. Das sei für den Weltmarkt unerheblich, sagte Putin. Viel größere Auswirkung auf die steigenden Lebensmittelpreise hätten die westlichen Sanktionen gegen Russland. Gerade die Ausfuhr von Düngemitteln gefährde künftige Ernten und treibe so weiter die Preise an, warnte er.

Zudem warf Putin den USA und Europa vor, den Import von Lebensmitteln gesteigert und damit die Konkurrenz um die begehrten Nahrungsmittel auf den Weltmärkten angeheizt zu haben. Das habe lange vor dem Ukraine-Krieg begonnen, den Putin "militärische Spezialoperation im Donbass" nannte. Die Inflation bei Lebensmitteln stehe daher in keinem Zusammenhang mit dem russischen Angriff, so der 69-Jährige.

Hackerangriff verzögerte Rede

Putin nutzte die Bühne zugleich, um den Westen verbal anzugreifen. Die USA agierten, als seien sie von Gott auf die Erde mit heiligen Interessen geschickt worden. "Unsere westlichen Kollegen denken immer noch in Kategorien des vergangenen Jahrhunderts, sie behandeln andere Länder wie Kolonien", sagte Putin und betonte, nichts in der internationalen Politik werde so sein, wie es einmal gewesen sei.

Putins Rede beim als "russisches Davos" bekannten Forum hatte mit nach einem Hackerangriff mit Verspätung begonnen. Es habe eine sogenannte "Denial-of-Service"-Attacke auf das Akkreditierungssystem gegeben, wie der Kreml mitteilte. Bei dieser Art von Hackerangriffen wird ein Server gezielt mit so vielen Anfragen bombardiert, dass das System die Aufgaben nicht mehr bewältigen kann.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in einem Telefonat mit Reportern, der Cyber-Angriff habe am Donnerstag begonnen und das Akkreditierungs- und Einlasssystem des Forums lahmgelegt. Dies habe zu einer Reihe von Problemen beim Zugang geführt.

Der pro-russische Separatistenführer in der ostukrainischen Region Donezk, Denis Puschilin, hat sich für eine Eroberung der gesamten Ukraine durch die russische Armee ausgesprochen. Puschilin sagte der russischen Nachrichtenagentur Tass am Freitag auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg, die gesamte Ukraine einschließlich der "russischen Stadt Kiew und der Westukraine" sollten "befreit" werden. So würde diese "schwere Verantwortung nicht auf die folgende Generation übertragen", fügte Puschilin hinzu.

Russland blickt nach China, Indien und Afrika

Putin hat immer wieder deutlich gemacht, dass sich Russland von den Sanktionen der EU und der USA nicht beeindrucken lasse. Unter dem Motto "Neue Welt - neue Möglichkeiten" wurden in St. Petersburg Vertreter aus mehr als 100 Ländern erwartet. Russland orientiert sich angesichts der massiven Spannungen mit dem Westen wirtschaftlich zunehmend nach Asien, vor allem nach China und Indien, aber auch nach Afrika und Südamerika.

Russland leitet etwa seine Öl- und Gaslieferungen zunehmend von der EU in andere Weltregionen um. Das Land erzielt wegen der hohen Preise für Öl und Gas auf dem Weltmarkt gerade besonders hohe Einnahmen. Auch die nationale Währung hat sich nach einem Wertverlust gegenüber dem Dollar und Euro zu Beginn des Krieges vor fast vier Monaten nun deutlich erholt. Der Rubel ist inzwischen so stark wie seit Jahren nicht mehr.

„Wkusno i Totschka" statt McDonald's

Wegen der Sanktionen hatten sich zahlreiche westliche Firmen, darunter deutsche Unternehmen, aus Russland verabschiedet. Putin erklärte dazu, dass andere Unternehmen die Lücken füllten. So wurden etwa nach dem Abschied der US-Kette McDonald's gerade in den Filialen neue Burgerrestaurants unter dem Namen Wkusno i Totschka - Deutsch: Köstlich und Punkt - eröffnet. In Moskau bilden sich bereits seit Tagen Schlangen an den Lokalen.

Trotz der umfangreichen Sanktionen des Westens sahen Vertreter der russischen Führung für die Wirtschafts- und Inflationsentwicklung im eigenen Land nicht mehr ganz so schwarz. Es gebe Grund zu einem "gewissen Optimismus", sagte Russlands Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow beim Wirtschaftsforum. "Die Ergebnisse des ersten Quartals und die vorläufigen Einschätzungen für April und Mai zeugen davon, dass es besser wird" als bisher in den Prognosen erwartet. Die Inflation werde zum Jahresende "deutlich" niedriger ausfallen als die zuletzt prognostizierten 17,5 Prozent, sagte Reschetnikow. Zudem nannte er eine Begrenzung des Rückgangs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf fünf bis sechs Prozent "absolut erreichbar". Im Mai hatte das Ministerium den voraussichtlichen BIP-Einbruch noch auf 7,8 Prozent beziffert.

Wegen eines Cyberangriffs auf das Wirtschaftsforum verzögerte sich die geplante Rede von Präsident Putin. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow teilte mit, Spezialisten arbeiteten an der Behebung des Problems, berichtete Reuters Freitagmittag.

115 Teilnehmer-Länder

Die Organisatoren des Wirtschaftsforums sprechen von Teilnehmern aus 115 Ländern in diesem Jahr. Im Rekordjahr 2020 waren es demnach 19.000 Teilnehmer aus 145 Staaten. Eine Teilnehmerzahl wurde diesmal nicht genannt. Unternehmer haben in diesem Jahr die Möglichkeit, anonym an dem Forum teilzunehmen, um nicht im Zuge der Sanktionspolitik des Westens mit Strafen belegt zu werden. Medien zufolge sind auch Teilnehmer aus Frankreich, Italien, Kanada und den USA angemeldet.

Ehrengäste heuer sind etwa der Präsident Kassym-Schomart Tokajew der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik Kasachstan, die Taliban aus Afghanistan und die als Terroristen von der Ukraine verfolgten Separatistenführer aus den von Russland anerkannten "Volksrepubliken Luhansk und Donezk". Ägyptens wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierter Präsident Abdel Fattah al-Sisi soll per Video zugeschaltet werden. Treffen wird sich Putin auch mit russischen Medienvertretern, darunter mit Kriegsreportern.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.