Bruder des toten Chefermittlers klagt an

Wirbel um Festnahme. Karl Kröll, der Bruder des verstorbenen Leiters der Soko „Kampusch“, war festgenommen worden – weil er zu viel wusste, wie er sagt.

Wien/M. s. Am 27. Juni dieses Jahres, um die Mittagszeit, machten die Kollegen des Leiters der polizeilichen Sonderkommission „Kampusch“, Oberst Franz Kröll, eine grauenvolle Entdeckung: Der Oberst lag auf der Terrasse seiner Grazer Wohnung, mit einer tödlichen Schussverletzung im linken Schläfenbereich. Selbstmord, hieß es sehr bald.

Der Bruder des Verstorbenen, Karl Kröll, denkt bis heute an ein Gewaltverbrechen. Und beklagt, dass ausgerechnet er damals festgenommen wurde. Er habe, so erzählt Karl Kröll der „Presse“, Chefinspektor Kurt Linzer, einem früheren Mitglied der Sonderkommission rund um Oberst Kröll, angekündigt, Material aus den Kampusch-Ermittlungen an Grünen-Parlamentarier Peter Pilz zu übergeben, Material, das er im Haus seines Bruders gefunden habe. Daraufhin wurde bei Karl Kröll eine Hausdurchsuchung durchgeführt, und er wurde festgenommen. „Ich war eineinhalb Tage eingesperrt“, berichtet Kröll. In einer Zelle innerhalb der Bundespolizeidirektion Graz sei er „gesessen“. Seither ist er stärker denn je bemüht, ganz im Geiste seines engagierten Bruders, neue Dynamik in die Kampusch-Ermittlungen zu bringen. Karl Kröll glaubt jedenfalls nicht an die von den Behörden offiziell verlautbarte Ein-Täter-These.

Indessen sieht nun der Grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger einen „ungeheuerlichen Vorfall“, sollten die Hausdurchsuchung sowie die Festnahme tatsächlich in Zusammenhang mit der versuchten Kontaktaufnahme mit Pilz stehen. Kröll zur „Presse“: „Wenn bei den Ermittlungen alles klar abgelaufen ist, warum hat man dann Angst vor Material, das ich haben könnte?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2010)

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