Wahlen in Kolumbien

Wer wird jetzt eigentlich Präsident?

Junge Frauen unterstützen den Kandidaten Gustavo Petro. Bogotá, Juni 2022.
Junge Frauen unterstützen den Kandidaten Gustavo Petro. Bogotá, Juni 2022.[ Foto: Luisa Gonzales/Reuters]
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Am 19. Juni tritt Gustavo Petro gegen Rodolfo Hernández in der Stichwahl um das höchste Staatsamt in Kolumbien an. Das Phänomen Hernández hat die Journalisten eiskalt erwischt – dieser Mann tritt in der Öffentlichkeit nicht auf und übermittelt seine Botschaften per soziale Medien.

Der Taxifahrer, der uns vom Flughafen ins Hotel bringt, ist sehr gesprächig. Er stellt sich als Javier vor, sechsfacher Familienvater, 62 Jahre alt und eigentlich führt er ein Geschäft im Süden Bogotás. Er bietet alle möglichen Waren feil: Schuhe, Kosmetik, Kleidung, Haushaltsgegenstände etc. In der Nacht steigt er ins Auto und versucht am Flughafen, den einen oder anderen Kunden zu ergattern. Die Millionenstadt ist schon längst in das Nachtleben eingetaucht. Dröhnende Musik, volle Imbissstuben, berauschte junge Menschen. Für Javier ist es eine Nacht wie jede andere, wir hingegen beobachten fasziniert das impulsive Treiben. Er erzählt von seiner Familie, von den vielen Enkeln, da unterbreche ich ihn: Wer ist eigentlich jetzt der Präsident? Duque, nuschelt er, als würde ihn das nichts angehen. Wie bitte? Iván Duque. Und wie ist er? Muy malo, Javier beginnt zu lachen, Politik sei nichts für ehrbare Leute.

Javier gibt mir beim Abschied seine Visitenkarte, er stehe uns immer zur Verfügung. Doch wir werden ihn aus den Augen verlieren, auch an unser Gespräch werde ich mich erst viel später wieder erinnern. Vorerst ist dieses Land eine weiße Landkarte für uns. Erste Eindrücke stammen von Berichten aus dem Internet. Da wird zu höchster Vorsicht geraten, das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Anschlägen während Wahlzeiten, in der Stadt und auf dem Land. Größere Menschenansammlungen sollten gemieden werden. Aber in Bogotá macht Ende April gar nichts den Anschein, dass hier bald ein neuer Präsident in die „Casa Nariño“ einziehen würde. Keine Wahlplakate, keine Flyer, keine Kundgebungen. Am Plaza de Bolívar direkt vor dem Parlament füttern Kinder Tauben, Straßenhändler bieten süße Mangoschnitten an, alte Männer spielen Schach. Nur einmal erleben wir einen Aufruhr, ein Mann wird auf offener Straße geohrfeigt. Er hat einem älteren Herrn dessen Mobiltelefon entwendet, weit ist er damit nicht gekommen und muss schweigend die Demütigung hinnehmen.

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