Das Märchen von der umweltfreundlichen Wärmegewinnungaus Müll ist entzaubert: 60.000 Wiener Haushalte stecken in einer Systemfalle. Wie steht es um die Utopie einer abfalllosen Gesellschaft, und warum hat der Umweltaktivist Hundertwasser sich einst auf so eine Greenwashing-Aktion eingelassen?
Als die Wien Energie kürzlich mit einer geplanten Preiserhöhung des Fernwärmetarifs um 92 Prozent in die Schlagzeilen kam, entzauberte sich das Narrativ der umweltfreundlichen Wärmegewinnung aus Müll in Wien. Das Märchenschloss in Form der von Friedensreich Hundertwasser vor 30 Jahren umgestalteten Müllverbrennung Spittelau überstrahlte als Architektur-Ikone und Wiener Wahrzeichen die Wärmegewinnung aus Erdgas, die mehr als die Hälfte des Wärmebedarfs im Fernwärmenetz deckt. 60.000 Wiener Haushalte sind in einer Systemfalle, sie können den Lieferanten nicht wechseln; die Politik muss jetzt die Preisexplosion abfedern, da sie auch viele Haushalte mit niedrigen Einkommen trifft. Beim Spaziergang durch die Stadt kann man auf Werbetafeln die Müllverbrennung im dunstigen Hintergrund eines Sujets erkennen, das die Klimaschutzaktivitäten des Energieversorgers bewirbt: „Wir klimaschützen Wien. Für unsere sichere Energieversorgung.“ Müll verbrennen, um das Klima zu schützen? Warum hat der Umweltaktivist und Naturschützer Hundertwasser sich auf so eine Greenwashing-Aktion eingelassen?
Die Müllverbrennung Spittelau wurde 1969 bis 1971 unweit des AKH Wien errichtet, um dessen Wärmeversorgung zu gewährleisten. Nach einem Großbrand 1987 wurde die Anlage an derselben Stelle wieder errichtet. Um die Involvierung von Hundertwasser durch den damaligen Bürgermeister, Helmut Zilk, und seinen Vize, Hans Mayr, ranken sich Mythen, wie Einführung der Mülltrennung in Wien, und Belegbares. Belegt sind jedenfalls die zögerliche Haltung Hundertwassers zur Müllverbrennungsanlage und seine Bedenkzeit, die sich über ein Jahr erstreckte. Zilk urgierte im wöchentlichen Rhythmus die Annahme der architektonischen Neugestaltung der Spittelau, während sich Hundertwasser über die technischen Fakten informierte und mit seinem Freund, dem Umweltschützer Bernd Lötsch, die Unausweichlichkeit einer solchen Einrichtung abwog.