Glosse

Warum es uns alle angeht, wenn in den USA Roe vs. Wade fällt

Schutzzaun vor dem Obersten Gerichtshof der USA. Das erwartete Urteil zum Abtreibungsrecht in den USA wird noch für Juni erwartet. Es ruft Demonstranten beider Lager auf die Straßen. Das Thema polarisiert die amerikanische Bevölkerung wie kaum eines.
Schutzzaun vor dem Obersten Gerichtshof der USA. Das erwartete Urteil zum Abtreibungsrecht in den USA wird noch für Juni erwartet. Es ruft Demonstranten beider Lager auf die Straßen. Das Thema polarisiert die amerikanische Bevölkerung wie kaum eines. (c) APA/AFP/STEFANI REYNOLDS (STEFANI REYNOLDS)
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Es ist ein riesiger Schritt zurück, den viele US-Bundesstaaten schon bald tätigen dürften. Kontrolle und Macht über die Frau - ihnen begegnet sie im Lauf der Geschichte ja nicht zum ersten Mal.

Viele Augen sind dieser Tage auf Washington gerichtet. Ein Anfang Mai über das Magazin Politico an die Öffentlichkeit gespieltes Dokument lässt erahnen, dass der Supreme Court ein Grundsatzurteil von 1973 kippen wird, das Abtreibungen im gesamten Land unter verfassungsrechtlichen Schutz gestellt hat.

Eine Reihe von republikanisch geführten US-Bundesstaaten wartet ja nur darauf. 13 Bundesstaaten haben sogenannte "trigger laws" eingeführt, die in Kraft treten, sobald der Oberste Gerichtshof sein Urteil gefällt hat. Es wird dort nicht oder kaum mehr möglich sein, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.

Nun ist an dieser Stelle zu betonen, dass sich keine Frau leichtsinnig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden wird. Ein solcher geht oft mit traumatischen Erfahrungen einher und mit zermürbenden Überlegungen im Vorfeld. Ein Eingriff dieser Art hinterlässt Spuren - und eine Frau wird ihre Gründe haben, sich für ihn zu entscheiden. (Eine Schwangerschaft durch Inzest oder sogar eine Schwangerschaft durch Vergewaltigung stellt in Teilen der USA bald keinen gültigen Grund mehr dar.)

Sollte man einer Frau, die sich der Mutterschaft nicht gewachsen fühlt, eine solche diktieren? Zumal eine verzweifelte Frau einen Weg finden wird, das Ungeborene zu verlieren. Wer in den USA nicht genug Geld dafür hat, in andere, liberale Bundesstaaten zu fahren, wird auf illegale und oft unsichere Methoden zurückgreifen. Abtreibungsverbote retten keine Kinder, sie gefährden ihre Mütter.

Wir sollten hellhörig werden, wenn, egal wo, das Recht auf Selbstbestimmung eingeschränkt wird. Tatsächlich passiert diesbezüglich auch viel in unserer Nähe. Im Krieg in der Ukraine häufen sich Berichte über Vergewaltigungen, sie sind ein Instrument der Kriegsführung. Geflüchtete Frauen aus der Ukraine, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, stehen gerade im Nachbarland Polen vor neuen Problemen. Denn sie leben dann in einem der Länder in Europa mit den strengsten Auflagen zur Abtreibung.

Statt Frauen ihre Rechte zu nehmen, sollte man eher an viel mehr Schutz und Unterstützung denken. Denn während über ihre Köpfe hinweg Urteile mit enormer Tragweite gefällt werden, stehen sie allein da, sobald diese Wirkung zeigen. Gerade die USA können sich, was den Mutterschutz betrifft, nicht rühmen. Mütter per Gesetz schützen, alleinerziehende Mütter aus dem Armutsrisiko holen, ihnen ein soziales Sicherheitsnetz bieten. Aber eben auch: Ihnen zugestehen, selbstbestimmt über ihren Körper zu entscheiden. Das braucht es eigentlich.

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