Tschechien

Prager Regierungskoalition wackelt wegen Korruptionsaffäre

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CZECH-EU-POLITICS-DIPLOMACY-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICTAPA/AFP/MICHAL CIZE
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Der tschechische Innenminister und Vize-Premier, Vít Rakušan, gerät zunehmend unter Druck. Die Affäre rund um Schmiergeldzahlung kommt kurz vor Beginn der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft ungelegen für die Regierung in Prag.

Knapp zwei Wochen vor Beginn der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft wackelt die Regierungskoalition des konservativen Regierungschefs Petr Fiala in Prag. Eine der fünf Koalitionsparteien - die Bürgermeisterpartei (STAN) von Innenminister und Vizepremier Vít Rakušan - wird von einer Korruptionsaffäre im Prager Rathaus gebeutelt. Unterrichtsminister Petr Gazdík (STAN) musste bereits seinen Hut nehmen, nun gerät auch der Innenminister unter Druck.

Es sei unvorstellbar, dass er Innenminister im Amt bleibe, während Korruptionsermittlungen gegen seine Partei laufen, sagen die Kritiker und fordert Rakušans Rücktritt.

Razzia im Prager Rathaus und anderen Ämtern

Ins Rollen kam die Affäre durch eine großangelegte Razzia vergangene Woche. Die Polizei durchsuchte rund 40 Ämter und Wohnungen, darunter das Prager Rathaus und das Büro der Prager Verkehrsbetriebe, und nahm mehrere Personen fest. In Handschellen abgeführt wurde auch der Prager Vize-Bürgermeister Petr Hlubuček (STAN). Er befindet sich nun in Untersuchungshaft und hat seinen Rücktritt eingereicht.

In der Affäre geht es laut Medienberichten unter anderem um einen lukrativen Bauauftrag der Prager Verkehrsbetriebe, für dessen Vergabe die Beschuldigten fünf Millionen Kronen (rund 200.000 Euro) an Schmiergeld gefordert haben sollen. Hlubuček war im Rathaus zuständig für den Bereich Verkehr und auch Mitglied des Aufsichtsrates der Verkehrsbetriebe. Zentrale Figur des Skandals war angeblich der Lobbyist und Sponsor der Partei STAN, Michal Redl, der sich ebenfalls in Untersuchungshaft befindet.

Die Affäre wirft daher einen Schatten auf die gesamte Bürgermeisterpartei, die in ihrer Politik besonders stark moralische Akzente setzte. Die Partei versucht nun zu retten, was noch - vor den Kommunalwahlen und Teilsenatswahlen im September - zu retten ist. Noch im Sommer will sie einen außerordentlichen Parteitag veranstalten, an dem eine neue Parteiführung gewählt werden soll.

Rakušan selbst denkt nicht an Rücktritt. "Dafür gibt es keinen einzigen Grund. Ich kann und darf auch nicht die Arbeit der Polizei beeinflussen. Der Beweis dafür ist, dass die Polizei handelt. Jeder sieht das", erklärte der Innenminister. Eine Rücktrittsaufforderung kam auch vom ehemaligen Regierungschef und Chef der nunmehrigen Oppositionspartei ANO, Andrej Babiš. "Der tatsächliche Kopf dieser Hydra ist Herr Rakušan, der die organisierten Verbrechen von STAN aus der Position des Innenministers deckt", so Babiš.

Prag übernimmt in wenigen Tagen EU-Vorsitz

Um Schadensbegrenzung bemüht sich unterdessen auch Fiala, dessen Fünfer-Regierungskoalition sich einen eventuellen Verlust von STAN nicht leisten kann, wenn sie ihre Mehrheit im Parlament aufrechterhalten will. Den Rücktritt Gazdíks würdigte Fiala daher am Sonntag als eine "ehrliche Lösung" und einen "Ausdruck einer neuen politischen Kultur", die man in den vergangenen Jahren so nicht gesehen habe. STAN sei ein "verlässlicher Partner", betonte Fiala.

Besonders ungünstig für Fiala ist, dass die Affäre wenige Tage vor Beginn des tschechischen EU-Vorsitzes bekannt wurde., Das rief unmittelbar Erinnerungen an die EU-Ratspräsidentschaft 2009 wach, während der die Regierung des konservativen (ODS) Ministerpräsidenten Mirek Topolanek gestürzt war. Die oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) von Jiří Paroubek stürzten damals - während der Ratspräsidentschaft - das Kabinett durch eine Misstrauensabstimmung mit Hilfe einiger Überläufer der Regierungskoalition. Kritiker sprachen von einer internationalen Schande Tschechiens.

Jetzt droht Derartiges aber offenbar nicht. Babiš ließ schon verlauten, dass er keine Absicht habe, Fialas Kabinett zu stürzen. "Es gibt den EU-Vorsitz und wir wollen dem Image der Tschechischen Republik im Ausland nicht schaden", sagte Babiš, der sich offenbar vor der für Jänner 2023 geplanten tschechischen Präsidentenwahl als staatstragend präsentieren will. Zwar hat Babiš seine Kandidatur noch nicht offiziell angekündigt, es wird aber allgemein damit gerechnet.

Gerichtstermin für Ex-Premier

Vor kurzem gab Babiš bekannt, dass er erst "im letzten Moment" sagen werde, ob er zur Wahl des Staatschefs antritt. Ursprünglich wollte er sich dazu schon im September äuße rn, allerdings hat Babiš in diesem Monat einen anderen wichtigen "Termin": den Beginn des Gerichtsprozesses wegen seiner "Storchennest"-Affäre. Dieser Skandal, in dem es um mutmaßlichen EU-Subventionsbetrug durch Babiš' Holding Agrofert geht, begleitet ihn seit Jahren. Er bestritt von Anfang an die Vorwürfe gegen ihn.

(APA)

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