Morgenglosse

Kann man Politikern anders nicht mehr trauen?

Die Abschaffung der kalten Progression ist richtig. Ob sie dafür gleich im Verfassungsrang abgesichert werden muss, ist aber fraglich.

Die Koalition will die kalte Progression abschaffen, damit die Bürger durch die Inflation nicht auch noch in höhere Steuersätze fallen. Das ist nur gut und richtig. Aber nachdem die Politik diesen überfälligen Akt jahrzehntelang nicht gewagt hat, will Finanzminister Magnus Brunner von der seit Jahrzehnten in der Regierung vertretenen ÖVP nun gleich noch einen Schritt weitergehen: Er erwägt, die Abschaffung der kalten Progression in die Verfassung zu schreiben - wozu dann auch zumindest Teile der Opposition zustimmen müssten.

Nun könnte man sagen, so zersplittert, wie die österreichischen Verfassungsbestimmungen sind, kommt es darauf auch nicht mehr an. Wenn der Bundespräsident die Eleganz der Verfassung lobt, so ist das regelmäßig mehr Wunschdenken denn Realität. Aber eigentlich sollten in einer Verfassung nur die grundlegenden Dinge stehen, also, wie ein Staat zu funktionieren hat. Etwa, wie ein Gesetz zustande kommt, wer die Zusammensetzung der Regierung bestimmen darf und Ähnliches. Eine Bestimmung zur Steuerhöhe gehört eher in die Kategorie der Alltagspolitik, für die ein normales Gesetz reichen sollte.

Ist ein Gesetz einmal in den Verfassungsrang gehoben, kann man es nur noch schwer – mit Zweidrittelmehrheit – wieder ändern. Da kommt die Frage auf: Braucht die Politik dies, weil sie sich ohne Selbstbindung gar nicht zutraut, die Abschaffung der kalten Progression länger beizubehalten? Als gelernter Österreicher möchte man das ja fast schon bejahen und eine Verfassungsänderung begrüßen. Denn obwohl alle Fraktionen offiziell schon lang für das Ende der kalten Progression eingetreten sind, hat es ja auch ewig gedauert, bis dieses beschlossen worden ist.

Aber wenn man nun beginnt, neue steuerpolitische Details in der Verfassung zu verankern, wo hört dies auf? Wird man dann als Nächstes das Pendlerpauschale in der Verfassung verankern, damit die Rechte dieser Gruppe abgesichert sind? Oder den Pensionistenabsetzbetrag, weil für diese wichtige Wählergruppe ist uns die Verfassung nur recht und billig? Sinnvollerweise sollte eine Koalition aber immer noch einen gewissen Spielraum in ihrer Politik haben, um auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können.

Wichtiger als die Fixierung in der Verfassung wäre, dass das Ende der kalten Progression einfachgesetzlich gut umgesetzt wird. Und dass die Regierungen der nächsten Jahre sich auch ohne Verfassungsbestimmung noch daran erinnern, was die Parteien dahinter den Steuerzahlern versprochen haben.

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