Protest

Antisemitisches Bild bei der Documenta wird abgebaut

20.06.2022 xkhx Kassel, documenta fifteen Friedrichplatz Kassel: Banner des indonesischen K�nstlerkollektivs Taring Padi
20.06.2022 xkhx Kassel, documenta fifteen Friedrichplatz Kassel: Banner des indonesischen K�nstlerkollektivs Taring Padi(c) IMAGO/Hartenfelser (IMAGO/Peter Hartenfelser)
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Ein Banner am Friedrichsplatz in Kassel zeigt einen Soldaten mit Schweinsgesicht und Davidstern. Das Künstlerkollektiv Taring Padi hat sich dafür entschuldigt.

Die kunterbunte Propagandamalerei des indonesischen Kollektivs Taring Padi, geschaffen für Straßenproteste, zu sehen bei der am Wochenende eröffneten Documenta in Kassel, ist recht plakativ, die Metaphern, die es verwendet, erschließen sich aber nicht immer. Eine allerdings ist eindeutig: Auf einem großflächigen Banner am Friedrichsplatz ist unter anderem ein Soldat mit Schweinsgesicht zu sehen. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift „Mossad“, also dem Namen des israelischen Geheimdienstes.

Meron Mendel, Direktor der in Kassel ansässigen Bildungsstätte Anne Frank, nannte das „eine klare Grenzüberschreitung: Diese Bilder lassen überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Das ist klare antisemitische Hetze.“ Das Werk müsse abgedeckt oder bestenfalls entfernt werden - was am Montagabend auch geschah. Das Kollektiv habe sich gemeinsam mit der Geschäftsführung und der Künstlerischen Leitung dazu "entschieden, die betreffende Arbeit zu verdecken und eine Erklärung dazu zu installieren", teilte die Documenta am Montagabend mit. Noch am Dienstag soll damit begonnen werden, das Kunstwerk abzubauen.

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat sich für die Entfernung der Installation ausgesprochen. Die bloße Verhüllung und die Erklärung des Künstlerkollektivs Taring Padi dazu seien inakzeptabel. Zudem müsse geklärt werden, wie es zu der Installation dieses Bildes überhaupt haben kommen können, sagte sie. 

Taring Padi entschuldigten sich. Die Installation sei "Teil einer Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die wir während der 32-jährigen Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben und deren Erbe, das sich bis heute auswirkt", teilte das Künstlerkollektiv mit. Die Darstellungen auf dem Banner seien Ausdruck dieser Erfahrungen. "Alle auf dem Banner abgebildeten Figuren nehmen Bezug auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik, zum Beispiel für die korrupte Verwaltung, die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren."

"Unsere Arbeiten enthalten keine Inhalte, die darauf abzielen, irgendwelche Bevölkerungsgruppen auf negative Weise darzustellen. Die Figuren, Zeichen, Karikaturen und andere visuellen Vokabeln in den Werken sind kulturspezifisch auf unsere eigenen Erfahrungen bezogen", erklärten die Künstler.

Die Geschäftsführung der Documenta meldete sich ebenfalls zu Wort: Sie sei "keine Instanz, die sich die künstlerischen Exponate vorab zur Prüfung vorlegen lassen kann und darf das auch nicht sein", sagte Generaldirektorin Schormann laut Mitteilung. Das Banner sei "im Kontext der politischen Protestbewegung Indonesiens entstanden" und dort wie an anderen außereuropäischen Orten gezeigt worden, erklärte sie. "Dies ist das erste Mal, dass die Arbeit in Deutschland und in Europa gezeigt wird. Alle Beteiligten bedauern, dass auf diese Weise Gefühle verletzt wurden."

Weiterer Dialog gefordert

Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, erklärte außerdem: "Es wird höchste Zeit, im Rahmen dieser Documenta ein Gespräch zu beginnen, die Künstler zu hören, aus welcher Weltsicht diese Bilder so entstanden sind und seitens der Documenta öffentlich zu erklären, warum diese Bilder hier auf Widerstand und Ablehnung stoßen."

Mendel plädierte für einen Dialog darüber, was schief gelaufen sei und wo die blinden Flecken dieser Documenta seien. Bisher hatte Mendel in der seit Monaten laufenden Debatte über Antisemitismus bei der Documenta diese verteidigt und gesagt, er sehe dort keinen manifesten Antisemitismus. Allerdings kritisierte er, dass keine jüdischen Künstler aus Israel vertreten seien.

Kritik des Bundespräsidenten

Das hat auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Eröffnungsrede beklagt. Es verstöre ihn, sagte er auch, „wenn weltweit neuerdings Vertreter des globalen Südens sich weigern, an Veranstaltungen teilzunehmen, an denen jüdische Israelis teilnehmen“. In ungewöhnlich deutlichen Worten mahnte er die Geschäftsführung der Documenta, sie möge sich nicht auf das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa ausreden: „Verantwortung lässt sich nicht outsourcen.“ Steinmeier komme zu spät, kommentierte die „Süddeutsche Zeitung“: Er beanstande die „diskursive Unfähigkeit“ der Documenta-Verantwortlichen – die eine Diskussion unter Einbeziehung des Zentralrats der Juden abgesagt haben – zu Recht, hätte sich aber schon vor Wochen äußern müssen.

„Gaza Guernica"

Sehr wohl in Kassel vertreten sind palästinensische Künstler. Und auch die Galerie Eltiqa aus dem von der islamistischen Hamas beherrschten Gazastreifen. Sie zeigt u. a. eine Collagen-Serie von Mohammed Al Hawajri. Er kombiniert Kunstwerke der westlichen Moderne mit Kriegsbildern – unter dem offenbar von Picassos Antikriegsbild inspirierten Titel „Guernica Gaza“. Was Kritiker als Vergleich Israels mit NS-Deutschland (das die baskische Stadt Guernica bombardierte) lesen. (ag./tk)

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