Quergeschrieben

Putin ist nicht an allem schuld - Die Teuerung ist hausgemacht

Mit der Methode „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ wird man bei der Inflationsbekämpfung nicht weit kommen.

Wenn das Zimmer überhitzt ist, reicht es nicht, das Fenster einen Spaltbreit zu öffnen, um frische Luft hereinzulassen. Man muss schon auch die Heizung ausschalten. Diese Feststellung ist angesichts der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) leider gar nicht trivial. Im Juli setzt sie eine winzige Zinserhöhung von 0,25 Prozentpunkten in Kraft, um zu zeigen, dass ihr die Inflation, die sie lang wider besseren Rat und besseres Wissen verharmloste, wenn nicht gar leugnete, doch nicht völlig gleichgültig ist. Dessen ungeachtet gab sie bekannt, dass sie den Ankauf von Staatsanleihen der hoch verschuldeten Staaten fortsetzen wird, um einer „Fragmentierung“ der Eurozone vorzubeugen, was die Inflation nur noch weiter anheizen wird.

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Längst hat die EZB mit den Negativzinsen und der Entschuldung der Mittelmeerländer die Geldmenge so gewaltig erweitert, dass man die reale Geldentwertung nicht mehr nur an den Preisen der Aktien und der Immobilien ablesen kann. Es reicht, im nächsten Supermarkt einzukaufen. Dabei sind die steigenden Preise für fossile Brennstoffe, Rohstoffe und Transport noch gar nicht zur Gänze bei den Endkunden angekommen.

Die Pandemie und ihre Lockdowns, die Unterbrechungen der Lieferketten und schließlich der Krieg in der Ukraine sind nur zeitweilige externe Faktoren, die die Inflation beschleunigen. Verursacht wird sie von einer an den Bedürfnissen der Regierungen orientierten Geldpolitik, die vorgeblich der Preisstabilität verpflichtet ist, in Wirklichkeit aber dazu dient, bankrottgefährdete Staaten vor schmerzlichen Korrekturen durch die Finanzmärkte zu schützen, und zwar koste es, was es wolle.

25 Prozent der Staatsschulden Italiens wurden von der Notenbank bereits aufgekauft. Im Draghi-Land herrschte höchste Aufregung, weil die Risikoprämien für italienische Papiere schon durch die bloße Ankündigung der Zinswende wieder gestiegen sind. Der „Spread“, das ist die Differenz der Renditen italienischer und deutscher Staatsanleihen, hat den höchsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Die Märkte haben registriert, dass die italienischen Regierungen ihr bei der Einführung des Euro gegebenes Versprechen, den Staatshaushalt auf eine solide Grundlage zu stellen und die viel zu lang aufgeschobenen Reformen endlich umzusetzen, nicht eingehalten haben. Dementsprechend bewerten sie die Staatsanleihen der Länder, die sich am meisten verschuldet haben.

Die Regierungen der Eurozone, und mit ihr die EZB, stehen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite werden sie es wahrscheinlich noch in diesem Herbst mit heftigen sozialen Protesten und erbitterten Arbeitskämpfen zu tun bekommen, wenn die Inflation weiter steigt. Auf der anderen Seite brauchen die Staaten die Geldentwertung, um sich weiter billig für politisch gewünschte Ziele verschulden zu können. Mit einer Inflationsbekämpfung nach dem Prinzip „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ wird sich das Problem kaum lösen lassen.

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