Auch Literatur und Kultur werden im Zuge des aktuellen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zum Schlachtfeld.
Der Autor:
Dr. Matthäus Wehowski hat in Tübingen Geschichte und Slawistik studiert und dort in Neuerer und Neuester Geschichte promoviert. Derzeit arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung zur Geschichte der Nationalbewegungen und der politischen Transformation in Ost- und Ostmitteleuropa.
Es herrsche ein „totaler Krieg“ gegen die „russische Welt“ (Russki Mir), so der russische Außenminister Sergei Lawrow, und auch der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew sprach von einem „Hass“ auf die russische Kultur. Ein – ziemlich bizarres – Video der russischen Vertretung bei der Unesco zeigt Schriftsteller wie Puschkin und Tolstoi, die der vermeintlichen westlichen (aber auch ukrainischen) „Unkultur“ gegenüberstehen. Angesichts des realen Krieges, den Russland gegen die Ukraine und ihre Bürger führt, irritierende Thesen.
Was steckt dahinter? Die Kultur ist zu einem weiteren Schlachtfeld geworden. In den besetzten Regionen der Ostukraine werden die Lehrpläne den russischen angepasst, ukrainische Literatur aus den Bibliotheken entfernt oder zerstört, und auf großen Werbebannern verkündet das Antlitz Puschkins die große „russische Vergangenheit“. Dass Russland die großen Schriftsteller und seine Sprache für imperiale Zwecke missbraucht, ist kein neues Phänomen. Schon das Zarenreich und die Sowjetunion nutzten sie als Werkzeuge einer kulturellen Hegemonialpolitik in den Gebieten, die sie als „Einflusssphäre“ betrachteten.