Die Reaktion auf die antisemitischen Werke bei der Documenta zeigt, wie wichtig individuelle Verantwortung ist.
Freiheit, auch in der Kunst, ist auf Verantwortung angewiesen. Darauf, dass der freie Akteur – und eben auch der Künstler – versucht, die Konsequenzen seiner Handlungen zu verstehen. Dass er sich als mündiges Individuum versteht und geriert.
Ja, das ist ein aufklärerisches Prinzip, Kulturrelativisten mögen sagen, dass es typisch westlich sei in seiner Wertschätzung des autonomen Individuums, seiner illusionären Annahme eines freien Willens. Soll sein. Es hat sich bewährt. Wie fatal es sein kann, darauf zu verzichten, zeigt die erbärmliche Reaktion bei der Documenta auf die Antisemitismusvorwürfe und schließlich auf den konkreten, fraglos skandalösen Fall einer Darstellung, die unverhohlen antisemitische Stereotypen zeigt. Allein die „Entschuldigung“, zu der sich die indonesischen Künstler schließlich doch durchringen konnten, ist symptomatisch: Die Darstellungen seien „kulturspezifisch auf unsere eigenen Erfahrungen bezogen“, sagten sie.
Wie bitte? Welche Erfahrungen? Haben die Künstler in Indonesien oder anderswo Erlebnisse mit Menschen mit Schweinsgesicht, Mossad-Schriftzug und Davidstern gehabt? Mit orthodoxen Juden, die das SS-Zeichen auf dem Hut tragen? Oder wenigstens mit Juden, deren Verhalten solche Karikaturen wenn schon nicht rechtfertigen, so doch erklären könnte?