Junge Forschung

Gesundheitsfragen statt Olympia

Ursprünglich wollte sie sportliche Großevents managen, jetzt forscht Katrin Paldán an nutzerorientierten Gesundheits- und Pflegetechnologien.
Ursprünglich wollte sie sportliche Großevents managen, jetzt forscht Katrin Paldán an nutzerorientierten Gesundheits- und Pflegetechnologien.Frederick Sams
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Forschung sei Teamarbeit, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Katrin Paldán von der FH Vorarlberg. Sie arbeitet an der Schnittstelle zwischen Gesundheit, Technik und Ethik.

Sie nimmt die Treppen, auch wenn es einen Lift gibt. Ihre Alltagswege fährt sie mit dem Fahrrad, zehn Minuten Yoga am Morgen gehören zu einem guten Start in den Tag, und viel Obst und Gemüse sind selbstverständlich. Katrin Paldán braucht dafür keine App, die sie daran erinnert, Bewegung oder gesunde Ernährung in ihren Alltag zu integrieren. Doch für viele andere Menschen ist der Weg zu einem gesünderen Lebensstil nicht so einfach. Sie müssen immer wieder dazu motiviert werden, sich mehr zu bewegen oder sich statt Süßigkeiten einen Apfel zu gönnen. Mittlerweile gibt es unzählige Programme, die genau diese Erinnerungen und Motivationskicks liefern – mit mehr oder weniger Erfolg.

Smartphone-Apps auf Rezept

Genau da setzt die Arbeit von Paldán an. Sie arbeitet am Forschungszentrum für nutzerzentrierte Technologien an der Fachhochschule (FH) Vorarlberg. „Wie kann man Menschen dabei begleiten, Gesundheit in ihren Alltag zu integrieren?“, lautet eine der Fragestellungen. Ihr aktuelles Projekt sucht Möglichkeiten, wie gesundheitsorientierte Apps per Rezept verschrieben werden können, um Patienten mit Demenz und deren Angehörige besser zu unterstützen. Das kann beispielsweise eine Anwendung sein, die an Demenz Erkrankte daran erinnert, ihre Tagesstruktur zu erhalten. Das Smartphone mahnt zur Einnahme der Tabletten oder daran, dass es Zeit zum Mittag- oder Abendessen ist. „In Deutschland gibt es die Apps auf Rezept schon. Wir wollen untersuchen, wie sich so etwas auch in Österreich umsetzen lässt“, erläutert Paldán. Mit im Boot bei dem auf vier Jahre angelegten Forschungsprojekt sind neben der FH Vorarlberg auch die Unis Innsbruck und Graz sowie Salzburg Research. Paldán findet es faszinierend, an der Schnittstelle von unterschiedlichsten Disziplinen zu arbeiten. Sie als Generalistin bringe gern Spezialisten zusammen und lerne dabei selbst viel.

Forschung stand als Berufswunsch ursprünglich gar nicht auf der Agenda der Wissenschaftlerin, die aus Neckarsulm in Baden-Württemberg stammt. Ihr Interesse galt dem Sport, sie war als Jugendliche Leistungssportlerin und spielte Handball. Sport und Management zu verbinden war ihr ursprüngliches Ziel. „Mein Traum war, bei der Organisation der Olympischen Spiele oder anderer Großevents mitzuwirken“, erzählt sie. Als junge Sport- und Gesundheitswissenschaftenstudentin arbeitete sie während der Fußball-WM in Deutschland als Praktikantin im Marketingbereich. „Es war eine sehr schöne Zeit, aber nicht das, wohin ich beruflich wollte“, erzählt sie.

Nach ihrem Abschluss baute Paldán 2009 ein berufsbegleitendes Studium im Bereich Gerontologie an der Universität Stuttgart auf. Mit gesundheitsdidaktischen Fragen beschäftigte sie sich auch in ihrer Dissertation, die sie 2014 fertigstellte. „Es gibt so viele Modelle, wie Menschen lernen können, einen gesunden Lebensstil zu entwickeln. Aber die Inhalte werden oft sehr abstrakt vermittelt, cyberbasierte Methoden können das spannender und damit effektiver machen.“

Ein Roboter als Vorturner

Nach vier Jahren als Teil einer Nachwuchsforschergruppe an der Universität Duisburg-Essen, die sich mit Gesundheitsmonitoring für über 65-Jährige befasste, zog es Paldán in den Süden. Sie ist an die FH Vorarlberg gewechselt und widmet sich hier als Senior Researcher nutzerorientierter Gesundheits- und Pflegetechnologie. Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt untersuchte etwa, wie ein Roboter die Pflege unterstützen kann. Der autonome Roboter gab beispielsweise Getränke an die Patienten aus, desinfizierte Türen mittels UV-Licht und war als Vorleser oder Vorturner erfolgreicher Entertainer. Über 22 Monate wurde der Roboter in zwei Pflegeheimen in Deutschland und der Schweiz eingesetzt. Anfängliche Berührungsängste waren schnell abgebaut, die Leute freuten sich auf die Begegnungen. Entwicklungspotenzial gibt es lediglich bei der sprachlichen Kommunikation: Der Dialekt so mancher Heimbewohner überforderte die Maschine.

ZUR PERSON

Katrin Paldán (41) stammt aus Neckarsulm in Deutschland. Sie promovierte an der Uni Stuttgart und baute danach einen berufsbegleitenden Studiengang für Integrierte Gerontologie auf. Seit 2019 forscht sie – nach einer Station an der Uni Duisburg-Essen – an der Fachhochschule Vorarlberg und ist Vorsitzende der Forschungsethik-Kommission der FH Vorarlberg.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2022)

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