Bauingenieurwesen

Zement beim Hausbau nur mehr dort verwenden, wo er nötig ist

Häuser aus dem 3-D-Drucker sind keine Zukunftsvision mehr. Wie der Betondruck die Errichtung von Gebäuden nachhaltiger und emissionsärmer machen kann, erforscht ein Team der Technischen Universität Graz. Es hat dafür auch schon Lösungsansätze parat.

Beton ist der meistgenutzte Baustoff der Welt – leider kein sehr umweltfreundlicher. Besonders die Herstellung seines Hauptbestandteils Zement wird wegen ihrer schlechten CO2-Bilanz kritisch diskutiert. Holz ist mittlerweile im Hochbau eine etablierte umweltschonende Alternative, aber: „Die wirklich großen CO2-Einsparungspotenziale sind bei den mineralischen Baustoffen zu heben“, ist Andreas Trummer vom Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz überzeugt. „Wir müssen daher an neuen Betonrezepturen arbeiten und gleichzeitig den Beton gezielter und smarter einsetzen, um das Bauen mit Beton nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.“

Beton smarter nutzen

Gemeinsam mit Institutsleiter Stefan Peters und einem Team aus Architekten und Bauingenieuren erforscht Trummer, wie ein solch smarter Einsatz in die Baupraxis Eingang finden könnte. Die Idee: Betonelemente aus dem 3-D-Drucker. Die sind zwar immer noch aus Beton, doch kann das Material sparsamer eingesetzt werden. Das hilft, den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Dass das Errichten von Häusern mit Elementen aus dem Drucker möglich ist, zeigen vereinzelte bereits umgesetzte Projekte. Dabei werden die Wände gedruckt, Fundament und Decken betoniert man jedoch auf herkömmliche Weise. Das reduziert den Schalungsaufwand, da beim Drucken keine Gussformen erforderlich sind, und macht den Prozess kostengünstig. Klimaschonend ist er allerdings noch nicht.

Hier setzt Trummer an: „Mit dem Drucker kann man leichte und filigrane Teile erzeugen.“ Im Fokus hat er die Decken und Fundamente. „Dort werden üblicherweise rund 70 Prozent des Betons in einem Rohbau verarbeitet. Man verwendet den Beton auch dort, wo er aus statischen Gründen eigentlich gar nicht notwendig wäre – einfach, weil es billiger kommt, gleich alles aus Beton zu gießen statt Aussparungen zu machen. Das Übermaterial ist günstiger als der Zeit- und Personalaufwand, den gezielteres Betonieren verursachen würde.“

Die TU-Forscher wollen Beton hingegen nur dort einsetzen, wo es Tragstruktur und Lastverteilung tatsächlich verlangen. Elemente mit Aussparungen lassen sich drucken, ohne dass dafür Personalkosten anfallen. Die Herstellung lohnt sich also finanziell und senkt unter dem Strich den Materialverbrauch. „Bis zu 40 Prozent Volumen könnte man so bei einer Stahlbetondecke sparen“, rechnet Trummer vor.

Um den Druckprozess zu optimieren und damit praxistauglich zu machen, arbeiten die Wissenschaftler im Labor mit einem Drucker, der aus einem schienengeführten Industrieroboter samt Druckkopf und einem Schlauch zur Materialzuführung besteht. Der Schlauch verbindet den Druckkopf mit der Betonpumpe. Gesteuert werden Roboter und Druckkopf von einem Computer, der genau weiß, wo der Beton aufgetragen werden soll. Der Clou: An der Spitze der Druckerdrüse befindet sich ein chemischer „Beschleuniger“. Trummer: „Er sorgt dafür, dass der Zementleim im ausgedruckten Beton sehr schnell erhärtet. Damit kann man rasch die nächste Schicht auftragen.“

Garageneinfahrt aus dem 3-D-Drucker

Ein erstes Projekt haben die Grazer bereits unter realen Baustellenbedingungen umgesetzt: Bei einer Siedlung in Nördlingen (Deutschland) wurden vorgefertigte Beton-Leichtbauelemente als Decke einer Tiefgaragen-Abfahrt verwendet. Derzeit beraten Trummer und sein Team ein vergleichbares Bauvorhaben in Vorarlberg. Dabei sammeln die Forscher auch Erfahrung: „Es gilt, die Zusammenarbeit mit dem Personal auf dem Bau zu optimieren und herauszufinden, welche Abweichungen bei den gedruckten Elementen akzeptabel sind bzw. wann neu gedruckt werden muss. Das geht nur beim schrittweisen Transfer in die Praxis.“

Was im Labor noch erprobt wird, ist die Bewehrung der Geschoßdecken. Das sind Stahlstäbe, die in die Decken integriert sind und deren Tragfähigkeit sicherstellen. „Optimal wäre ein System, das die Bewehrung gleich mit ausdruckt“, spricht Trummer ein Forschungsziel an. Und auch im Bereich der Logistik gebe es noch Optimierungspotenzial, sagt der Experte.

LEXIKON

Beton besteht zu einem wesentlichen Teil aus Zement. Dessen Herstellung ist einer der emissions-intensivsten Industrieprozesse.

Der Klimaschaden von Beton ist beträchtlich: Rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen werden durch die Zementherstellung verursacht.

Die wichtigsten Rohstoffe sind Kalkstein, Ton und Mergel. Sie werden in Steinbrüchen durch Sprengen oder Reißen gewonnen. Der wichtigste Vorgang bei der Herstellung ist das Brennen des Rohgemisches bei 1450 Grad Celsius im Drehrohrofen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2022)

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