Quergeschrieben

Hilfe, wer hat denn unsere Politiker ruiniert?

Politik mache süchtig, sagte Neos-Mandatar Schellhorn und zog sich aus ihr zurück. Seither sind Rückzüge wegen Überlastung oder Gehässigkeit ein Trend geworden.

Vor genau einem Jahr hat der umtriebige Nationalratsabgeordnete der Neos Sepp Schellhorn seinen Rückzug von allen politischen Funktionen verkündet und diesen unter anderem mit der „kräfteraubenden Stimmung in der Politik“ begründet. Fünf Monate später sollte er die Politik mit der Droge Crystal Meth vergleichen, die das zentrale Nervensystem angreift und schwer abhängig macht. Von der Politik komme man genauso wenig los, ließ er in Interviews wissen.

Wenn dem so ist, muss die Frage nach den Dealern erlaubt sein. Die sind leicht auszumachen: Wir alle – jeder Wähler, jede Wählerin, die von ihrer lokalen politischen Größe Auftritte bei jedem Dorffest, jeder Veranstaltung verlangt, ganz so, als würde der Erfolg allein von der Präsenz eines Landesrats, Landeshauptmanns oder Ministers abhängen.
Das Herbeischaffen eben dieser Prominenz ist Aufgabe der Parteifunktionäre auf den unteren Sprossen der Karriereleiter. Gelingt es, steigert das ihre eigene Bedeutung. Die am anderen Ende der Karriereleiter, oben also oder auf den Weg dorthin, glauben jedem Ruf zur Eröffnung eines Würstelstandes Folge leisten zu müssen, weil sie innerparteilich von der Stimme des Bürgermeisters und/oder der Gemeinderäte abhängig sind. Also muss man die Bevölkerung, die „kleinen“ Funktionäre in ihrem Bedeutungsdrang und wohl auch die Berater zu den Dealern zählen. Diese Unfähigkeit in der Politik, Nein sagen zu können, ist ein Grund für die jetzt so häufig angeführten Überbelastungen.Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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Die Diskussion, warum in der Politik jeder Termin wahrgenommen werden muss, ist so alt wie die Diskussion um ein politikfreies Wochenende im Monat, also 36 Jahre.
Erst vor wenigen Jahren hat das Internationale Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen in dem Projekt „Mensch bleiben in der Politik“ den Vorschlag gemacht, zu einzelnen Gesichtsterminen wie Eröffnungen sollte jeweils nur ein Politiker entsendet werden, der für alle anderen Parteien sprechen darf. Eher gefriert die Hölle, als dass dieser Vorschlag in Österreich aufgegriffen wird. Da hat das politikfreie Wochenende, das in der Studie auch vorkommt, wohl mehr Chancen auf Realisierung.

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